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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gestarrt hatte, wie er gerechnet und berechnet, verglichen und geplant hatte. Wunschdenken. Unruhig brauchte er jetzt nicht mehr zu sein, trotzdem kontrollierte er jeden Abend, wie der Verkauf lief. Er vertraute seinem Personal. Er hatte die Leute eingestellt, und an ihrer Kompetenz und Ehrlichkeit zu zweifeln, würde sein Urteil infrage stellen. Bei Gonzo im »Dakar« hatte er sich einmal vertan, aber da hatte er ja nun Maßnahmen ergriffen. Trotz Armas’ Protest ließ er Gonzo noch ein paar Wochen arbeiten. Er sollte auch seinen ausstehenden Lohn bekommen, |125| sogar das Urlaubsgeld. Alles andere wäre verrückt gewesen. Danach einen Tritt in den Arsch.
    Die Frau von der Post machte einen aufgeweckten Eindruck. Sie schien gut zu sein. Tessie hatte sie auch gelobt. Wegen der zusätzlichen Arbeit, die sie übernehmen musste, hatte Slobodan Andersson Tessies Stundenlohn um drei Kronen erhöht. Wenn die Postfrau sich machte, würde er ihren Stundenlohn auch erhöhen. Dann hätte das »Dakar« ein gutes Gespann im Service, das mit zusätzlichem Personal aufgestockt werden konnte.
    Slobodans Laune stieg, und er winkte Jonas zu sich.
    »Mach einen Grappa fertig und biete Lorenzo, oder wie er nun heißt, einen Cognac an.«
    Jonas sauste mit dem Kupon für den Cognac los, Lorenzo blickte erstaunt auf, warf Slobodan einen Blick zu, hob den Schwenker und lächelte. Slobodan nickte, lächelte aber nicht. Lorenzo war eine neue Bekanntschaft. Slobodan vermutete, dass er mit irgendwelchen illegalen Spielen zu tun hatte. Vielleicht wollte er sich hier in Uppsala etablieren und sondierte das Terrain. Dagegen hatte Slobodan nichts. Das würde die Geschäfte sicher befördern.
    Slobodan Andersson hatte den Eindruck gewonnen, dass Armas und Lorenzo sich von früher her kannten. Zumindest, dass Armas den gut gekleideten Gauner kannte, denn dass er ein Ganove war, daran zweifelte Slobodan nicht. Aber Armas hatte verneint, Lorenzo schon mal gesehen zu haben.
    Slobodan Andersson drehte sich so weit um, dass er Lorenzo in Augenschein nehmen konnte. Dessen Alter war schwer einzuschätzen. Zwischen fünfundvierzig und fünfzig, doch er konnte auch zehn Jahre älter sein. Ungeziefer, aber gut angezogen, und zwar mit Geld und sogar Stil, konstatierte Slobodan. Nie hatte er Lorenzo mit lauter Stimme reden gehört. Wenn er es sich überlegte, hatte er dessen Stimme überhaupt nie gehört, und das war in seinen Augen ein Zeichen für Stil. |126| Er verabscheute Angeber, deren Stimme einen Raum dominierte. Lorenzo war auch ein Mann ohne große Gesten. Er hatte mehrere Male im Restaurant gegessen, saß aber meistens an der Bar, begann immer mit einem Staropramen, trank danach einen doppelten Espresso plus Cognac und rauchte dazu eine Zigarre.
    Er kam stets allein, bekam aber oft Gesellschaft von einem Mann, den Slobodan Andersson für sich als Untergeordneten bezeichnete. Der Mann, knapp dreißig, sehr blass, lauschte Lorenzos Worten, sagte selten selbst etwas. Er trank immer Cola mit Rum, und das war für Slobodan Andersson das fantasieloseste Getränk überhaupt. Er ging oft zur Toilette und saß meist noch eine Weile im Lokal, nachdem Lorenzo es verlassen hatte. Dann wurde er sichtlich lockerer, bestellte noch eine Cola mit Rum und rauchte genussvoll eine oder zwei Zigaretten.
    Lorenzo wandte sich um und begegnete Slobodans Blick. Der rutschte von seinem Hocker und ging auf Lorenzo zu, der zog seinerseits einen Stuhl hervor und machte eine einladende Geste.
    »Danke«, sagte er und lächelte Slobodan erneut an.
    Slobodan Andersson nickte und betrachtete seinen Gast eingehend. Lorenzo hatte dunkelbraune Augen und zwischen den Augenbrauen eine weiße Narbe. Seine Hände waren erstaunlich klein, ihrem Aussehen nach ging er regelmäßig zur Maniküre. Er vermittelte einen fast femininen Eindruck, lächelte mit entspannter Miene, und in seinen Augen waren weder Fragen noch Unruhe auszumachen. Sie hatten höchstens etwas Mutwilliges, Spöttisches.
    »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Es ist wie zu Hause«, sagte Lorenzo lächelnd.
    Slobodan streckte ihm die Hand über den Tisch entgegen und stellte sich vor. Er beurteilte Menschen nach ihren Augen und ihrem Handschlag. Lorenzo war schnell, aber für Slobodans Geschmack etwas lahm. Die Hand war kalt.
    |127| »Ich habe Armas eine Weile nicht gesehen.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Kennen und kennen«, antwortete Lorenzo, und Slobodan hatte es mit seinem Lächeln immer schwerer. »Wir hatten vor vielen

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