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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ihm war, als warteten sie seit fünfhundert Jahren.
Zapoteken, Mixes, Mixtes, Triguis
und alle anderen Bevölkerungsgruppen in Oaxaca, Chiapas, Guererro, ja überall im Land, das sich Mexiko nannte. Sie warteten alle. Standen da wie geknickte Bäume, vom Sturm |168| gefangen und abgebrochen, Wind und Wetter ausgesetzt und verwüstet. Nichts, womit man rechnen musste, nichts von Wert, ohne die Fähigkeit, sich zu reproduzieren. Aber in der Kargheit des steinigen Bodens, in den grünenden Tälern und auf den windgepeitschten Hochebenen ruhten Samen, in deren Kern der Code von allem Alten Bestand hatte.
    Das war seine Überzeugung. Seine Hoffnung.
     
    Plötzlich hörte er einen Motor starten und sah den Mercedes mit den beiden Männern in Richtung Schotterweg schaukeln.
    Manuel machte sich wieder auf den Weg zu dem kleinen Haus. Vom Nachbarn war nichts zu hören und zu sehen, vielleicht war niemand zu Hause. Er fühlte sich jetzt sicher. Die Schuppentür war nur mit einem Haken gesichert, er schob sie auf. Im Dämmerlicht erkannte er einen Rasenmäher, alte Gartenstühle und eine Werkbank mit verschiedenen Werkzeugen. Er nahm sich ein Brecheisen und einen Benzinkanister. Mit einem neu gewonnenen Gefühl von Macht verließ er den Schuppen.
    Er entschied sich für das Fenster auf der Seite, die vom Nachbarhaus nicht einsehbar war. Wenige Minuten später hatte er es aufgebrochen und war ins Haus geklettert.
    Schwach hing in dem großen Raum noch Schweißgeruch. Die Möblierung war schlicht, die Sachen waren abgenutzt. Auf dem Fußboden lagen ein paar schmutzige Flickenteppiche. Ein einziges Bild hing an der Wand, eine Alpenlandschaft. Die übertrieben spitzen Gipfel waren gräulich überpudert, das sollte wohl Schnee darstellen. Unten im Tal duckte sich eine Holzhütte. Gedacht als romantischer Blickfang der Komposition, sah sie aber nur wie ein Spukhaus aus, dessen Bewohner die Gegend längst verlassen hatten.
    Manuel bedrückte die staubige Einsamkeit, doch er fand sie auch natürlich. Sie waren alle einsam, Slobodan, Armas und der Kleine. Sie waren Männer, die mit einem einzigen |169| Ziel von den Bergen herunterkamen: Sie wollten Geld verdienen. Nur hatten sie dafür dem Gedanken von der Menschlichkeit Gewalt angetan. Sie lebten einsam, liebten niemanden mehr als sich selbst – und auch das kaum. Nein, die konnten nicht lieben, sie waren verdorben von der Gier und nur von Verrat und freudlosem Erfolg umgeben.
    Er holte die Sporttasche aus dem Schlafsofa und ließ sie aus dem Fenster fallen. Auf einem Regal in der Küche fand er Streichhölzer, dann goss er Benzin über die Einrichtung.

26
    E rst als Eva sich an den Küchentisch setzte, ließ das Gefühl der Lähmung nach. Das Telefon klingelte. Das war bestimmt Helen, die gesehen hatte, wie sie und Patrik nach Hause kamen. Aber Eva nahm nicht ab, sie wollte weder die Kommentare der Freundin noch ihre guten Ratschläge anhören müssen.
    Patrik war sofort in sein Zimmer gegangen. Er wollte ganz eindeutig allein sein. Seine Erleichterung nach dem Gespräch mit Barbro Liljendahl war nicht zu übersehen gewesen. Im Bus war er fast ausgelassen. Gleichzeitig schien ihn das Gefühl zu plagen, einen Verrat begangen zu haben, denn er verstummte bald und sah geistesabwesend und wie verwundert aus dem Busfenster, als wolle er in die Zukunft blicken.
    Und für Patrik war die Zukunft der nächste Tag, die nächste Woche, vielleicht der nächste Monat, allerhöchstens das Ende des Schulhalbjahrs. Er maß alles an der Reaktion von Zero und den anderen, und deshalb war sein Einsatz geradezu heroisch. Er mochte schon bereuen, bei der Polizei so freimütig gewesen zu sein. Eva verstand intuitiv, dass sie ihm Zeit lassen musste.
    |170| Sie war stolz auf ihn. Angst und Wut hatten dem Gefühl von Dankbarkeit für die reife Reaktion ihres Sohnes Platz gemacht, die zugleich etwas von kindlicher Aufrichtigkeit hatte, dem Wunsch, dass man ihn verstehen und dass man ihm vergeben möge.
    Barbro Liljendahl hatte offenbar genau den richtigen Ton getroffen, sie hatte ihm Vertrauen und Respekt entgegengebracht, aber auch den Druck erhöht, wenn er zu entgleiten drohte. Sie hatte sein Vertrauen gewonnen, sonst hätte er sich nie darauf eingelassen, dass Eva den Raum verließ.
    Eva sah nach der Uhr. In einer Stunde würde Hugo nach Hause kommen. Sie war hungrig, konnte aber nicht an Essen denken.
    Wieder klingelte das Telefon. Dieses Mal antwortete Eva.
    »Wie war’s?«
    Eva schloss die

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