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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wohnte er in Svartbäcken.
    Er hatte nur eine sehr diffuse Erinnerung an das, was passiert war. Er konnte weder Angaben zur Person oder zum Alter desjenigen machen, der ihn mit dem Messer attackiert hatte, noch konnte er sich erinnern, ob der Täter allein gewesen war. Das war an sich alles nicht ungewöhnlich, Liljendahl traute ihm trotzdem nicht.
    »Ich glaube, er kennt den Täter, will dessen Identität aber nicht preisgeben«, sagte sie. »Er lügt, wie er es sein Leben lang getan hat. Unsere Liste seiner Meriten ist drei Seiten lang. Vor allem Drogengeschichten, aber auch Gewalt und Drohungen. Ein ziemlicher Mistkerl.«
    »Wir haben allerdings Zeugen, vor allem ein Paar, das auf seinem Balkon grillte, etwa fünfzig Meter entfernt. Die sahen drei, vielleicht vier junge Männer, die ihn angriffen. Sie sollen lautstark gestritten haben, ehe das Messer gezogen wurde. Aber das leugnet Sidström.«
    »Irgendwelche Verdächtigen?«
    »Wir haben so einen bunten Vogel, der sich Zero nennt. Zurzeit hält er sich bedeckt, doch der wird schon bald wieder aufkreuzen. Seine Mutter, aber vor allem seine Brüder kochen vor Wut. Die haben den ganzen Clan mobilisiert, um ihn zu finden.«
    »Es sind Türken oder richtiger Kurden«, fügte sie hinzu, als sie Lindells Gesichtsausdruck sah.
    »Du hast Anlass zu der Vermutung, dass Sidström sich in strafbarer Absicht in Sävja aufhielt?« Lindell fiel selbst ihre formelle Wortwahl auf.
    »Drogen«, sagte Liljendahl. »Vermutlich Kokain. Ich weiß nicht, ob du es gehört hast, aber es sind Unmengen Kokain in der Stadt. Früher war das ja eine Droge für Eingeweihte. Kokain zu schnupfen war in, aber das bekam man nicht auf der |177| Straße. Es gibt ungefähr denselben Kick wie Amphetamin, ist jedoch teurer. Die gewöhnlichen User nehmen Amphetamin. Aber jetzt scheint ein Umschwung stattzufinden. Ich glaube, es gibt mehr, man kommt leichter ran, und der Preis ist gesunken.«
    »Was kostet das?«
    »Ein Gramm liegt bei achthundert Kronen. Das reicht für zehn Mal. Amphetamin kostet ungefähr zweihundert Kronen.«
    »Kokain kaut man doch in Südamerika, oder?«
    »Ja, die Blätter, aber das tun die meisten, um den Job und die Kälte zu ertragen. Du hast sicher Fotos von Grubenarbeitern in Bolivien gesehen?«
    Das hatte Ann Lindell nicht, aber sie nickte trotzdem.
    »Und du glaubst, es gibt einen Zusammenhang mit dem Mord?«
    »Messer, Messer«, sagte Liljendahl.
    Lindell trank einen Schluck Kaffee. Der Krapfen, den sie gekauft hatte, lag unberührt auf dem Tellerchen. Was die Kollegin sagte, hatte was. Delikte mit Messern waren zwar nicht unbedingt ungewöhnlich, aber zwei in so kurzem Zeitabstand, vielleicht   …
    »Ich habe eine Liste«, sagte Barbro Liljendahl und zog eine Mappe aus ihrer Aktentasche, blätterte und reichte Ann ein Blatt Papier.
    Sie ist gut, dachte Lindell und überflog die Namen von Sidströms alten Bekannten. Mehrere kannte sie, aber besonders ein Name weckte ihr Interesse.
    »Kannst du mir eine Kopie bringen lassen?«
    »Sicher«, sagte Liljendahl mit einem zufriedenen Zug um den Mund.
     
    Anns Entschluss, Viola zu besuchen, war durch das Zusammentreffen mit Barbro Liljendahl brüchig geworden. Wieder |178| stand sie vor dem Aufzug, dieses Mal sehr viel unschlüssiger. Und was mache ich, wenn Edvard da ist? Bei dem Gedanken trat sie unwillkürlich zwei Schritte zurück und ließ eine Gruppe Krankenhausangestellter vorbei. Wieder verschwand der Aufzug ohne sie.
    Sie verachtete sich. Es ging um Viola und um nichts sonst. Sie konnte auf der Station fragen, ob Viola Besuch hatte. Zum dritten Mal drückte sie auf den Knopf, und dieses Mal öffneten sich die Türen sofort.
    Viola saß in einem Rollstuhl am Fenster. Ann hüstelte, aber die Alte rührte sich nicht. Die silberweißen Haare standen in alle Richtungen. Mit der rechten Hand klopfte sie sacht auf die Armlehne. Viola ist doch wie immer, dachte Ann, ruhelos, und darauf bedacht, hier schnellstens rauszukommen.
    »Guten Tag, Viola«, sagte sie, und die alte Frau drehte den Kopf und starrte sie an, zeigte aber mit keiner Miene, ob sie die Besucherin erkannte. Ann Lindell trat ein paar Schritte näher.
    »Ich bin’s, Ann.«
    »Denkst du, ich bin blind?«, sagte Viola. »Nein, du glaubst, ich sei senil.«
    Für einen Moment konnte Ann nichts sagen, sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wolle sie sich vor Violas prüfendem Blick schützen. Sie kaschierte die Bewegung, indem sie die Haare

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