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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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endet heute.«
    Leegaard ging an seinen Schreibtisch und blätterte in Karas Personalakte. »Dir stehen noch drei Wochen Urlaub zu, den du bisher nicht genommen hast. Du könntest dich erholen … oder Ferien machen, bis ich aus Südamerika zurückkomme, wenigstens eine Woche. Aber die Entscheidung liegt natürlich bei dir.«
    »Das wäre mir recht«, erwiderte Kara, ohne groß zu überlegen.
    »Ich teile es der Personalabteilung mit«, sagte Leegaard, und damit endete das Treffen.
    Kara war perplex. Mit keinem einzigen Vorgesetzten war die Zusammenarbeit so reibungslos angelaufen. Er verließ das Gebäude, ging durch den Verbindungsgang ins Haus D, betrat den Aufzug und begriff, dass er jetzt eine Entscheidung treffen musste. Sollte er weiter Urlaub machen und sich mit dem zufriedengeben, was er jetzt wusste, oder sollte er versuchen, endgültig zu klären, was im Oktober 1989 geschehen war: Warum man den Tod seines Vaters inszeniert hatte, was hinter Mundus Novus steckte … Es schien so, als wollte einer dort oben, oder da unten, dass er weitermachte: Erst hatte ihm dieser finnische Jurist neue Informationen angeboten und kurz darauf Leegaard die Möglichkeit, sie zu überprüfen. Da blieb ihm gar nichts anderes übrig, als herauszufinden, ob er wirklich die Schuld am Tod seiner Mutter trug und was mit Emma geschehen war.
    Kara verließ den Aufzug und wand sich durch die schmalen Flure der Gruppe zur Untersuchung des Menschenhandels und des Schmuggels von Migranten. Diese Truppe des UNODC war die weltweit führende Einrichtung auf ihrem Gebiet. Geleitetwurde sie von Reetta Hirvonen. An ihrer Tür blieb Kara stehen. Sie war offen.
    Die blonde, durchtrainierte Finnin wirkte wie immer frohgelaunt. »Leo! Schön dich zu sehen. Geht es dir gut?«
    Kara musste über ihren Turkuer Dialekt lächeln. »Eher schlecht.«
    Reetta Hirvonen bedeutete ihm, Platz zu nehmen. »Ich habe gehört, du hast vor zwei Monaten wirklich gute Arbeit geleistet. Du hast dafür gesorgt, dass der finnischen Polizei eine Lastwagenladung mit Opfern des Menschenhandels in die Hände gefallen ist. Im Haus geht das Gerücht um, es wäre zum Teil dein Verdienst, dass der von Interpol koordinierte Schlag gegen die Balkanroute so hervorragend gelungen ist.«
    »Über die Sache wollte ich eigentlich mit dir reden …«
    »Durch die Zerschlagung des Menschenhändlerringes sind überall in Europa hunderte Kinder und Frauen aus der Gefangenschaft befreit worden.« Reetta Hirvonens Augen leuchteten. »Der überwiegende Teil der Kriminellen, die an der Balkanroute beteiligt waren, konnte gefasst werden. Jetzt verhört man die Schuldigen, und da sickern ständig auch zu uns neue Informationen durch. Anscheinend wendet die Polizei in den Ländern auf dem Balkan etwas unsanftere Verhörmethoden an als bei uns in Finnland.«
    »Kati Soisalo ist dir und deiner Truppe wirklich dankbar, dass ihr bei der Suche nach Vilma geholfen habt«, sagte Kara. »Hast du etwas Neues über das Mädchen erfahren?«
    Reetta Hirvonen wirkte nachdenklich, kramte eine Weile in den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch und rief dann erfreut: »Hier ist es ja! Im Haus des Chefs der Balkanroute auf serbischem Gebiet fand die Polizei ein Dokument, in dem der Name Vilma erwähnt wird. Darin heißt es nur: Bestellung – Vilma. Beschafft 13.9.2007 Dubrovnik. Übergeben 14.9. Lubljana. Eingetroffen 16.9. Helsinki. «
    Kara schüttelte den Kopf. »Vilma wurde nicht nach Helsinki geschickt, sondern nach Vittorio Veneto in Italien. Und was bedeutet Bestellung in diesem Zusammenhang?«
    »Vielleicht hatte irgendjemand Vilma gesehen und verlangt, dass gerade sie entführt wurde. Oder jemand hatte sehr genau angegeben, was für ein Kind er will: blond, drei Jahre alt, lange Haare …«
    »Die bestellen Menschen wie Autos, bei diesem ganzen Menschenhandel wird einem übel. Sonst wurde im Zusammenhang mit Vilma nichts gefunden?«
    »Leider nicht«, sagte Reetta Hirvonen. »Aber ich halte die Augen offen.«
    * * *
    Auf dem U-Bahnhof Praterstern stieg Kara aus und ging etwa dreihundert Meter bis zum Lokal Hansy. Der Wind wehte so heftig, dass ihm die Augen tränten. Seine Freundin Nadine Egger arbeitete fast ohne Pause in ihrer Kneipe. Er sah sie aber nicht hinter dem Tresen, und der Kellner Walter am Zapfhahn zuckte die Achseln, um zu bedeuten, dass er nicht wusste, wo sich seine Chefin herumtrieb. Das traditionelle Wirtshaus war zur Hälfte mit Gästen gefüllt. Den Inhalt der Speisekarte konnte man

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