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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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leicht an den Gerichten auf den Tischen ablesen: riesige panierte Schnitzel und vor Fett triefende Würste. Pasta galt im Hansy als Diätessen, und Gemüse legte man höchstens als Farbtupfer auf die Teller.
    Plötzlich entdeckte er Nadine an der Giebelseite des Barbereichs. Sie unterhielt sich mit einem gepflegten Mann in dunklem Anzug und wirkte schockiert. Kara und Nadine waren annähernd gleichaltrig, Mitte dreißig, sahen aber beide älter aus. Zwei Monate lang hatten sie sich nicht gesehen. Vor ihrem letzten Telefongespräch war Nadines Sohn Bruno gerade wegen Drogenvergehen verhaftet worden.
    Kara beschloss zu warten, bis Nadines Gast gegangen war, er kehrte an den Tresen zurück, bestellte einen Marillenschnaps und ein großes Helles und setzte sich hin, um seinen Lieblingskellner Walter zu beobachten. Der Ober ignorierte sowohl einen jungen Mann, der sein leeres Bierglas hochhielt, als auch einen Geschäftsmann, der winkte und zahlen wollte. Als einer der Gäste aufstand und in Richtung Tresen ging, drehte Walter ihm den Rücken zu und das Radio lauter.
    Das Hansy war eine gelungene Mischung aus Neuem und Altem. Die Einrichtung, der Tresen und der große Flachbildschirm wirkten modern, doch die Decke mit den Gewölbebögen, die nackten Ziegelwände und die Fensternischen erinnerten an vergangene Zeiten. Kein Wunder, dass Nadine ihr Lokal so sehr mochte.
    Er dachte über Nadine nach. Keiner von ihnen beiden wollte, dass ihre Beziehung enger wurde, mit Ausnahme von Brunos Problemen unterhielten sie sich nie ernsthaft über irgendein Thema. Kara wäre niemals auf die Idee gekommen, Nadine von den Ereignissen im Oktober 1989 zu erzählen. Was für einen Sinn hatte so eine Beziehung ? Was für einen Sinn hatte all das, was er in den letzten zwanzig Jahren getan hatte?
    »Du hättest wenigstens anrufen können.« Nadine war unbemerkt neben Kara aufgetaucht. »Willst du Mittag essen?«
    »Ja, gern«, antwortete Kara und wartete, bis Nadine mit einem vollen Teller zurückkehrte. Durch den Stress der letzten Monate hatte sie so abgenommen, dass sich die Haut über den Wangenknochen spannte. Sie wirkte abgekämpft, der straff gebundene schwarze Pferdeschwanz verstärkte diesen Eindruck noch. Kara bekam marinierten Rostbraten mit Apfelmus, Balsamicosoße und Kartoffeln vorgesetzt.
    »Wer fängt an?«, fragte Nadine.
    Kara hatte den Mund voll und zeigte mit der Gabel auf Nadine.
    »Brunos Prozess beginnt Anfang November, und es sieht schlechtaus. Offen gesagt, verdammt schlecht. Der Jurist, den du mir empfohlen hast, leistet zwar gute Arbeit, aber er sagt, dass Bruno diesmal nicht mit Bewährung davonkommt.« Nadine rieb mit beiden Händen ihre Schläfen. »Dieser verflixte Bengel. Gerade als er selbst vom Stoff losgekommen war …«
    »Weswegen wird Bruno angeklagt?«, murmelte Kara.
    »Diese juristischen Fachausdrücke habe ich mir nicht gemerkt – wegen Rauschgiftvergehen. Der Vater von Brunos Kumpel arbeitete als Kurier einer serbischen Kriminellen-Organisation und ließ die Jungs überall in Österreich Drogen verteilen. Deswegen musste sich Bruno auch ein Auto anschaffen. Diese serbische Bande war angeblich in den Menschenhandel und sonst noch alles Mögliche verwickelt.«
    Kara empfand Gewissensbisse. Bruno war bei der von Interpol koordinierten internationalen Polizeioperation gefasst worden und die verdankte ihren Erfolg zum Teil auch den von ihm beschafften Informationen. »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Kara, als er sah, wie verzweifelt Nadine war.
    »Das Unglaublichste bei alldem ist, dass nach Ansicht des Juristen die Freiheitsstrafe nicht mal das Schlimmste sein wird, was Bruno bevorsteht.« Nadine senkte den Blick.
    Kara schaute sie überrascht an.
    »Man wird Bruno und seine Kumpels zu gewaltigen Schadenersatzzahlungen verurteilen, sie müssen ihre Gewinne aus dem Drogenverkauf an den Staat abführen. Der Anwalt meint, die Summe werde sich bestimmt auf ein paar hunderttausend Euro belaufen. Bruno wird bis ans Ende seiner Tage diese Schulden abzahlen, das Leben des Jungen ist vorbei, noch bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Die dauerhafte Freiheitsentziehung wegen Schulden sei eines der sichersten Mittel, um einen jungen Menschen zum Kriminellen zu machen, sagt der Jurist. Für illegal beschaffte Einkünfte braucht man ja keine Pfändungsgebühren oder Steuern zu zahlen.«
    Kara schüttelte den Kopf. Er hätte Nadine gern irgendwie getröstet, konnte es aber nicht. »Diesmal scheint Bruno

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