Rot
dagegen. Kati Soisalo beschloss, nicht zu erwähnen,dass sie Juristin war; vielleicht hatte Helena Poulsen dem Anwalt ihren Beruf schon genannt, oder eben nicht. Sie hoffte, dass diese Begegnung wie ein Gespräch in ruhiger Atmosphäre verlief.
»Sie haben keinen Juristen mit?«, erkundigte sich Weber.
Kati Soisalo schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich einen benötige«, antwortete sie und bemerkte, dass Weber überrascht war.
»Es ist am besten, wenn wir sofort zur Sache kommen«, erklärte Dr. Weber. »Auseinandersetzungen, bei denen es um Kinder geht, sind selten einfach oder angenehm, man sollte also versuchen, gelassen zu bleiben und die Gefühle im Zaum zu halten. Frau Poulsen hat mich soeben über die Situation unterrichtet. Ich bin alle Dokumente durchgegangen, die Vilma Poulsen betreffen, und habe diesbezüglich keinerlei Mängel gefunden. Die Eingliederung Vilmas in ihre neue Familie bei den Poulsens wurde von Paris aus durch die auf internationale Adoptionen spezialisierte Firma Child Alliance organisiert, die …«
»Eine Tarnkulisse der albanischen kriminellen Organisation Veliki ist«, sagte Kati Soisalo.
Dr. Weber starrte sie an wie eine Geisteskranke und fuhr dann fort: »… die Vilmas Adoption ausgezeichnet dokumentiert hat. Von beiden biologischen Elternteilen Vilmas, sowohl von Ihnen als auch von Ihrem Exmann Jukka Ukkola, liegt eine schriftliche Zustimmung zur Adoption vor …«
»Was willst du damit sagen, verdammt!«, schrie Kati Soisalo wutentbrannt. »Vilma wurde in Dubrovnik entführt. Was für eine schriftliche Zustimmung?«
Dr. Weber schaute Helena Poulsen kurz an und runzelte verwundert die Stirn. Dann reichte er Kati Soisalo zwei Dokumente. Es sah so aus, als würde er darauf achten, ihr nicht zu nahe zu kommen.
Kati Soisalos Deutschkenntnisse waren nur mittelmäßig, aber ihr wurde sofort klar, dass sie ein Blatt in der Hand hielt, auf demsie selbst der Freigabe Vilmas zur Adoption zugestimmt hatte. Wie war das möglich? Sie konnte es nicht begreifen, egal wie lange sie auf den Text starrte. Auf dem anderen Blatt, das ihrem genau entsprach, las sie Jukka Ukkolas Unterschrift. Sie fühlte sich plötzlich ganz schwach. Ihr Gesicht wurde eiskalt. »Ich habe dieses Dokument nicht unterschrieben.«
Dr. Weber verzog den Mund, schob die Lesebrille auf die Nasenspitze und schaute Kati Soisalo vorwurfsvoll an. »Sie haben in verbindlicher Weise auf all Ihre Rechte in Bezug auf Ihr Kind verzichtet. Ich halte es für äußerst unverschämt, dass Sie drei Jahre nach Ihrer Entscheidung über die Adoption im Leben der Poulsens auftauchen und mitteilen, sofern ich das richtig verstanden habe, Sie möchten Ihr Kind zurückhaben. Ich weiß nicht, was hinter Ihrer Aktion steckt, aber ich habe mich bei einem Kollegen in Helsinki kundig gemacht und erfahren, dass Sie auch in Finnland gewisse Probleme mit den Behörden haben.
Kati Soisalo war wie vor den Kopf geschlagen und brachte keinen Ton heraus.
Dr. Weber fuhr in seiner Standpauke fort: »Vilma Poulsen hat sich perfekt in ihre neue Familie und ihren neuen Lebenskreis integriert, dank der aufopferungsvollen Bemühungen ihrer neuen Eltern. Sie ist heute ein ausgeglichenes und gesundes Mädchen, besucht eine internationale Kindertagesstätte und beschäftigt sich mit …« Er nahm die Lesebrille von der Nase und machte eine kleine Pause. »Ich fürchte, ich muss die Behörden über Sie und Ihr Verhalten informieren, sofern Sie nicht glaubhaft versichern, dass dies eine Art … Missverständnis ist.«
Kati Soisalo schüttelte den Kopf, vergrub ihr Gesicht in beiden Händen und brach in ein verzweifeltes Gelächter aus.
32
Montag, 10. Oktober
Alan Beckley hätte sich am liebsten übergeben, als er das Gefängnis von Belmarsh verließ. Nicht weil ihm schlecht gewesen wäre, sondern weil er unverzüglich alles loswerden wollte, was mit seinen vierhundertsechzehn Tagen als Häftling verbunden war. Auch in seinen Zivilsachen hing der widerliche, deprimierende Geruch von Belmarsh, nachdem sie anderthalb Jahre in der Kleiderkammer des Gefängnisses gelegen hatten.
Das Taxi wartete, er stieg ein und forderte den Fahrer auf, zum Bad Porchester Spa zu fahren, das war die einzige Anweisung, die auf dem Zettel stand. Beckley hatte große Lust, jemanden umzubringen, am liebsten alle Wächter von Belmarsh. Er würde für den ganzen Rest seines Lebens die Hände dieser Sadisten auf seinem Körper spüren, als sie ihn nach versteckten Waffen
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