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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Schwingtür der Küche in den Saal der Gaststätte und erblickte die Putzfrau, die kehrte. Das Hansy hatte seine Pforten vor einer Viertelstunde geschlossen.
    Kara folgte Nadine zum letzten Tisch am anderen Ende des großen Saales, an dem die klein gewachsene Joy Okoye mit ihren Rastalocken saß.
    »Vielen Dank, dass du bereit warst, mich zu treffen. Und es tut mir leid …« Nadine zeigte auf Joys Bauch. »Damit meine ich, es tut mir leid, dass mein Vater dich gerade jetzt rausgeschmissen hat, und natürlich nicht, dass du schwanger bist.«
    Joy Okoye lächelte einnehmend, das Eis war sofort gebrochen. »Wir mussten heute aus der Villa deines Vaters ausziehen.«
    »Wir?«, fragte Nadine.
    Joy stand auf, ging ans Fenster und deutete mit der Hand auf den Bürgersteig. Nadine und Kara traten neben sie und sahen einen dunkelhäutigen jungen Mann, der umgeben von Plastikbeuteln voller Kleidungsstücke auf dem Fußweg saß.
    »Abedi ist der Vater meines Kindes. Er hat Anton Mosers Garten gepflegt und andere Arbeiten gemacht, alles, was er konnte«, erklärte Joy.
    »Ach du lieber Himmel, weshalb sitzt er denn da draußen? Bitten wir ihn doch hereinzukommen«, sagte Nadine, ging zur Tür und öffnete sie.
    Abedi, der durchgefroren aussah, betrat das warme Restaurant, und Nadine stellte ihm eine Tasse Tee hin, während Kara Joy half, die Plastiktüten hereinzutragen. Schließlich saßen alle vier an einem Tisch.
    »Vermute ich richtig, dass ihr kein Nachtquartier habt?«, fragte Nadine und Joy nickte.
    »Ihr könnt heute bei mir schlafen. Und warum nicht auch mehrere Nächte, wir versuchen eure Angelegenheiten zu regeln. Ichwohne hier über dem Lokal, ihr könnt das Fremdenzimmer nehmen.«
    Joy war so dankbar und erleichtert, dass sie kein Wort herausbrachte. Sie nahm ihre Handtasche, die an der Stuhllehne hing, und holte einen dicken Stoß Dokumente heraus. »Das hier sind die wichtigsten Unterlagen deines Vaters. Er hat den AEM-Konzern und die Firmen, die AEM gehören, als Kulisse für seine Geschäfte mit dem Menschenhandel benutzt. Ihr solltet auch die anderen Unterlagen durchsehen, ich habe da nicht alles verstanden. In diesen Beuteln ist davon noch jede Menge.«

31
    Montag, 10. Oktober
    Leo Kara wachte im Schlafzimmer seiner Zweizimmerwohnung in der Engerthstraße auf, sah die Ziffern, die der Wecker an die Decke projizierte, und wurde sofort wieder in das Chaos geworfen, das in seinem Kopf herrschte. Genau so war er in der Nacht hochgeschreckt, als er sich im Traum an alles erinnert hatte. Unfassbar, dass seitdem erst eine Woche vergangen war.
    Er richtete sich auf und schaute sich um, nun wurde ihm selbst klar, wie öde und trostlos diese Bude wirkte. Als wäre sie ein Beweis für die Leere in seinem ganzen Leben. Aber das würde sich schon bald ändern. Es war 10:48 Uhr, das Treffen mit dem Freund seines Vaters begann in etwa einer Stunde.
    Kara ging duschen und stellte das Wasser so heiß ein, dass er es gerade noch aushielt. Zum Glück war Nadine am Vorabend damit beschäftigt gewesen, Joy und Abedi zu helfen, sodass er sich problemlos allein nach Hause absetzen konnte. Er hatte versprochen, die Unterlagen von Joy an die Behörden weiterzuleiten, das musste vor dem Treffen erledigt werden.
    Er zog sich an, kochte Kaffee und holte aus der Speisekammer Knäckebrot und Sardinen in Tomatensoße. Dann setzte er sich auf den Hocker am Küchentisch und überlegte, wen er wohl in einer Stunde treffen würde. Zu wem hatte Vater Kontakt bekommen? Würde der Mann alles über die Ereignisse im Oktober 1989 wissen? Ihm fehlte die Geduld für ein geruhsames Frühstück, er ließ die Hälfte liegen.
    Rasch packte er Joys Unterlagen in einen Koffer und sah ein, als er den Delsey anhob, dass er ihn nicht bis zur U-Bahn-Stationschleppen konnte, die alte Kiste war so schwer wie ein Sack Steine. Er bestellte ein Taxi und rief gleich danach Anders Aasen an, den Pressesprecher des UNODC-Stabs. Nachdem der Norweger gehört hatte, dass Joy Okoyes Unterlagen nicht nur an das österreichische Bundeskriminalamt, sondern auch an den britischen SIS geschickt werden mussten, und dass es bei den Dokumenten um Enthüllungen ersten Ranges im Zusammenhang mit dem Menschenhandel ging, flehte Aasen ihn fast an, die Unterlagen weiterleiten zu dürfen.
    Das Taxi wartete am Straßenrand, als Kara seinen Koffer aus dem Haus hinauszog. Nur mit Mühe schaffte er es, ihn in den Kofferraum zu hieven. Von seiner Wohnung bis zum Haupteingang der UNO-City

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