Rot
SIS-Experten, die auf die Prüfung von Wirtschaftsdaten und finanziellen Transaktionen spezialisiert waren.
Betha Gilmartin schaute auf ihre Armbanduhr und klopfte mit der Faust auf den Tisch der Übersetzer. »Ich brauche eine vorläufige Zusammenfassung.«
Die älteste der fünf Philologen, eine grauhaarige Frau in einer selbst gestrickten Wolljacke, setzte die Lesebrille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Bei diesen Unterlagen gibt es keine Interpretationsprobleme. Der AEM-Konzern betreibt oder leitet einen äußerst umfangreichen Menschenhandel, oder vielleicht sollte man es Sklavenhandel nennen. Sie haben überall in der Welt … Sammelstellen, die größten in Douala in Kamerun, in Xi’an in China, in Kuala Lumpur in Malaysia und auf den Philippinen in Manila. Eine Zusammenfassung mit der Anzahl der Menschen habe ich noch nicht gefunden …«
Ein junger Übersetzer unterbrach sie: »Aber ich. Im letzten Jahr wurden aus China mindestens 459 879 Menschen zur Zwangsarbeit in die westlichen Länder geschickt, und in Afrika handelten die Firmen des AEM-Konzerns mit mindestens 679 226 Sklaven. Über die Hälfte der Afrikaner wurden allerdings auf dem eigenen Kontinent verkauft.«
Betha Gilmartin verdaute das Gehörte kurz. »Und von welchen Beträgen reden wir hier?«
»Was den Sklavenhandel angeht, handelt es sich um hunderte Millionen Dollar«, antwortete einer der Wirtschaftsermittler des SIS. »Es wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen, diese Summen aufzuschlüsseln, sie enthalten auch Einkünfte aus anderen Quellen als dem Menschenhandel.«
»Und die Ausgaben? Wofür hat AEM das Geld verbraucht?«, drängte Betha Gilmartin.
Jetzt war ein Wirtschaftsermittler in Anzug und Weste an der Reihe: »Für hunderte Millionen wurde Weltraumtechnologie gekauft. In den Unterlagen findet man jede Menge bekannte Namen: Lockheed Martin, Dassault Aviation, EADS, Finmeccanica, Thales Group, Boeing, BAE Systems … Der AEM-Konzern hat Dutzende, vielleicht sogar hunderte Forschungsprogramme der Spitzentechnologie finanziert, zusammen mit der DARPA der USA und mit den für Forschungsprojekte zuständigen Einrichtungen der Verteidigungsministerien auch anderer Länder: Russland, China, Japan, Schweden, Großbritannien …«
Ein weiterer Wirtschaftsermittler antwortete auf Betha Gilmartins Frage: »Bis letzten August hat AEM eine gewaltige Summe für den Kauf seltener Metalle und Elemente aufgewendet: Iridium, Indium, Kobalt, Germanium, Beryllium, Neodym, Molybdän … Alles, was in Erzeugnissen der Spitzentechnologie, in der Weltraum- und Militärtechnologie der Zukunft gebraucht wird.«
Genau darauf hatte Betha Gilmartin gewartet – auf hieb- und stichfeste Beweise. Sie wusste schon einige Zeit, dass Mundus Novus jahrelang seltene Metalle und Elemente in seinen Besitz gebracht hatte, und jetzt stand fest, wie das geschehen war: mithilfe des AEM-Konzerns. Dieses Unternehmen war die Fassade von Mundus Novus, gewissermaßen der Geschäftsträger. Der AEM-Konzern und Mundus Novus waren zwei Seiten einer Medaille.
Das brachte sie ganz aus der Fassung. »Wie zum Teufel ist dasmöglich? Warum hat bisher niemand AEM und Mundus Novus miteinander in Verbindung bringen können?«
Der Ermittler in Anzug und Weste zuckte die Achseln. »Das ist nicht weiter verwunderlich, diese ganze Konstruktion ist genial. AEM hat all seine Geschäftsoperationen über hunderte oder tausende in Steueroasen registrierte Unternehmen, Stiftungen und Briefkastenfirmen abgewickelt, und ich bin mir nicht sicher, ob sich selbst aus diesen vorliegenden Beweisstücken ein Paket schnüren lässt, das im Gerichtssaal Wirkung zeigt.«
Betha Gilmartin wollte gerade ihre Untergebenen anbrüllen und zu mehr Tempo auffordern, da blieb Colleen Carter neben ihr stehen und reichte ihr ein Blatt Papier.
»Die Russen … der FSB hat uns Informationen geschickt. Die Namen einiger Dutzend Leute, von denen der FSB glaubt, dass sie irgendwie mit Mundus Novus zu tun haben. Sie bitten als Gegenleistung um unsere Informationen über Mundus Novus.«
Betha Gilmartin lachte. » In their dreams . Nützen uns ihre Angaben?«
»Das wird gerade geklärt.«
»Wir antworten den Russen erst, wenn wir wissen, ob die Namensliste echt ist. Man sollte nicht die Katze im Sack kaufen.«
* * *
Der Mann, der ins Hotelzimmer getreten war, hielt die Waffe routiniert in der Hand und sagte kein Wort, während er Kati Soisalo bedeutete, sich aufs Bett zu setzen und seinem Komplizen
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