Rot
und las dessen gefährlichste Passage zum x-ten Mal:
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konzentrierte sich das Kabinett mehr und mehr ausschließlich auf die wirtschaftlichen Aktivitäten. Seine Aufgabe wurde es, das in private Hände gelangte Milliardenvermögen der Sowjetunion zu waschen und anzulegen. Das Kabinett war das größte, geheimste und effizienteste aller vom KGB initiierten und vom FSB weitergeführten Komplexprogramme. Der Kreml und die Nachrichtendienste Russlands haben für die wichtigste Aufgabe ihrer Geschichte, die Privatisierung des Eigentums der Sowjetunion, gewissermaßen einen ganzen Staat eingespannt – Finnland.
Bedauerlicherweise stimmte es haargenau, was Palomaa behauptete.
Am Bahnhof von Kirkkonummi bezahlte Eeva Vanhala das Taxi, stieg kurz darauf in den Zug nach Turku, den sie in Karjaa wieder verließ. Mit dem Bus fuhr sie bis ins Kirchdorf Pohja und kaufte im Lebensmittelladen ein. Die Taxifahrt ins Dorf Trädbollstad dauerte nur etwa fünf Minuten. Eeva Vanhala bezahlte, schaute sich um und spürte, wie sie sofort ganz ruhig wurde: Selbst das beste Fahndungskommando würde sie hier nicht finden. Ihr Ferienhaus lag mitten im Wald, an einem wenig befahrenen Kiesweg, in einer Gegend, in der nur selten Menschen unterwegs waren. Sie hatte sich das Grundstück zehn Jahre zuvor als Versteck besorgt, nachdem sie einmal mehr von einem verlogenen Typ bitter enttäuscht worden war. Gerade vierzig geworden, hatte sie damals ihre Hoffnung, Mutter zu werden, endgültig begraben und beschlossen, der ganzen Welt zu entfliehen. Die Verträge für Strom, Wasser und Müllentsorgung liefen über ihre Briefkastenfirma, hier würde sie niemand finden.
Eeva Vanhala ging auf dem kurzen Kiesweg bis zu ihrem Haus, stellte mit Befriedigung fest, dass keine Schäden durch Einbrecher zu erkennen waren, und holte aus dem Brennholzschuppen den Schlüssel. Sie betrat das Schlafzimmer, hockte sich vor den Sentry-Tresor, der in die Brandmauer eingelassen war, und tippte den Code aus fünf Ziffern in das digitale Kombinationsschloss ein. Dann stopfte sie schnell die Dokumente aus ihrer Umhängetasche in den Tresor und schlug die Tür zu. Das Smirnow-Material bewahrte sie nicht hier auf, das befand sich in einem idiotensicheren Versteck. An die Unterlagen würde niemand herankommen.
4
Mittwoch, 5. Oktober
Clive Grovers graue Löwenmähne schwang hin und her, als er die weiße Kugel wuchtig in das von roten Kugeln gebildete Dreieck stieß. Er spielte im Keller des Clubs Oxford and Cambridge Snooker, sofern man das so bezeichnen konnte, wenn jemand allein am Billardtisch stand und die Kugeln knallen ließ. Diesen Club mochte er am meisten, hier schien es so, als wäre die Tradition allgegenwärtig, schließlich reichten seine Wurzeln zurück bis ins Jahr 1821. Als Mitarbeiter des britischen Auslandsnachrichtendienstes SIS war Grover natürlich auch Mitglied des Clubs Special Forces, doch in dessen Klubhaus in Knightsbridge konnte man die Arbeit nie ganz hinter sich lassen, dort schwirrten einfach zu viele Kollegen herum. Allerdings ließen sich auch hier Begegnungen mit Geheimdienstprofis nicht völlig vermeiden, im MI5 und SIS wurden immer noch jede Menge Absolventen von Oxford und Cambridge eingestellt. Vor der Jahrzehnte zurückliegenden Enttarnung der Cambridge Five, des Agentenquintetts Kim Philby, Donald Maclean, Guy Burgess, Anthony Blunt und John Cairncross, sowie des unter Oxford-Studenten angeworbenen Spionagerings hätten die britischen Nachrichtendienste fast den Namen »Oxford and Cambridge Club« tragen können. Heutzutage schaltete der SIS Stellenanzeigen in der Presse und im Radio wie eine Handelskette.
Grover gönnte sich einen freien Tag. In der heutigen, von den Gefahren des Terrorismus durchdrungenen Welt war es bei ihm, dem Leiter der Abteilung für Aufklärungsoperationen des SIS, eher die Regel als die Ausnahme, dass er seinen Jahresurlaub unterbrechenmusste. Meistens nahm er immer dann einen seiner Urlaubstage, wenn es in der »Firma« ruhig zuging. Gerade jetzt wäre ein längerer Urlaub so nötig gewesen wie lange nicht. Nach dem Abschuss einer chinesischen Trägerrakete vor etwa zwei Monaten war man sowohl im SIS als auch bei den anderen großen Nachrichtendiensten aufgewacht und konzentrierte nun seine Kräfte auf die Untersuchung einer Organisation namens Mundus Novus. Im SIS lagen diese Ermittlungen in seiner Verantwortung, weil die stellvertretende SIS-Chefin Betha Gilmartin
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