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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Die einzige Supermacht der Welt ist ohne ihre Satelliten nicht imstande, irgendeine anspruchsvolle Militäroperation durchzuführen.«
    Der Leiter der Technischen Abteilung überprüfte etwas in seinen Unterlagen und nahm das Wort. »Im Moment weiß man nur, dass eine Trägerrakete namens Girmand, die gestern Abend im Weltraumzentrum der Europäischen Raumfahrtorganisation in Französisch-Guayana gestartet wurde, irgendwie mit der Zerstörung der Satelliten zusammenhängt.«
    »Und diese Girmand gehört wem?«, fragte Betha Gilmartin.
    »Dem privaten Unternehmen Master Space Systems.«
    »Muss man dir jede Information mit der Zange herausziehen, verdammt noch mal«, regte sich Betha Gilmartin auf. »Es kann ja wohl nicht jeder x-Beliebige Trägerraketen und Satelliten in den Himmel schießen. Wem gehört das Unternehmen?«
    Der Leiter der Technischen Abteilung stand jetzt kerzengerade da. »Master Space Systems ist ein privates deutsch-russisch-britisches Konsortium, sein Hintergrund wird gerade untersucht. Man muss bedenken, dass sich die Raumforschung und die Geschäftstätigkeit auf diesem Gebiet in den letzten zehn Jahren mit atemberaubendem Tempo verändert haben. Schon Dutzende Staaten verfügen selbst über ein aktives Weltraumprogramm, private Raumfahrtunternehmen drängen mit aller Macht auf die Bildfläche. Kommerzielle Firmen betreiben jetzt Raumflugzentren, bauen Abschussrampen und Trägerraketen. Das private Unternehmen SpaceX hat seine Weltraumkapsel Dragon auf eine Erdumlaufbahn geschickt, schon bald wird sie auch eine Besatzung und Fracht zur Internationalen Raumstation transportieren. Die Firma Virgin Galactic beginnt demnächst Touristenreisen in den Weltraum und … Kurz gesagt, das ganze Weltraumgeschäft wird gerade mit rasantem Tempo in private Hände verlagert.«
    Betha Gilmartin überlegte einen Augenblick. »Bisher gibt esalso nichts, was diese Ereignisse mit Mundus Novus und der Zerstörung der chinesischen Trägerrakete im August in Verbindung bringen würde.«
    Der Leiter der Technischen Abteilung schüttelte den Kopf.

10
    Donnerstag, 6. Oktober
    Clive Grover trug einen weißen Overall und saß in einem Safehouse des britischen Geheimdienstes MI5. Zwar hatte er mit verbundenen Augen von der Gegend nichts gesehen, aber vermutlich war er in London, denn die Autofahrt von Mayfair bis hierher hatte nur etwa zwanzig Minuten gedauert. Ins Hauptquartier von The Box , wie der MI5 genannt wurde, war er jedenfalls nicht gebracht worden, nur wenige Auserwählte würden erfahren, dass man ihn hochgenommen hatte. Als einer der Ersten vermutlich der Premierminister. Immerhin war er der hochrangigste enttarnte Spion seit Aldrich Ames vom CIA im Jahre 1994. In den Nachrichtendiensten Großbritanniens hatte man seit Kim Philby keinen auch nur annähernd mit ihm vergleichbaren Maulwurf ausgeräuchert, und Philby war schon 1963 aufgeflogen.
    Wie lange würde er auf den Beginn der Verhöre warten müssen? Sie wollten erreichen, dass die Einsamkeit und die Stille Wirkung zeigten, dass er lange genug Zeit hatte, zu begreifen, wie sehr er in der Klemme saß. In dem kühlen Raum mit nackten Wänden standen ein Metalltisch und vier unbequeme Stühle, an der Decke brannte eine helle Neonröhre. Der MI5 hätte ihn vermutlich nicht erst fast vor die U-Bahn gestoßen und gleich danach hoppgenommen, um ihn zu verhören. Deshalb befürchtete er das Schlimmste: Wollten die Russen ihn loswerden? Wie dem auch sei, er wusste nun mit Sicherheit, dass alles vorbei war.
    Er war jetzt dreiundfünfzig Jahre alt und hatte fast sein ganzes Leben im Dienste der Königin gestanden. Das fand er in gewisser Weise grotesk, da er aus einer Familie stammte, in der man dieMonarchie ablehnte, seit die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den britischen Inseln Fuß gefasst hatten. Die Männer in Grovers Sippe hatten über Generationen Kohle abgebaut, es war also ein glücklicher Zufall gewesen, dass er genau zu der Zeit, als der Bergbau in Großbritannien fast ganz zu Ende ging, der erste Grover mit Universitätsabschluss wurde.
    Seine Herkunft dürfte auch der Grund für seine Anwerbung gewesen sein. Und die Tatsache, dass er bei seinem ersten Auslandseinsatz in Bukarest 1987 den Leiter der dortigen Filiale des KGB kennengelernt hatte. Dem KGB-Residenten Feliks Penkowski war es gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass die Perestroika die Ouvertüre für einen neuen Kommunismus war, der

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