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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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…«
    Sie holte wieder tief Luft. »Aber aus dem Hauptquartier der KRP lässt sich das nicht einfach so heraustragen. Ein guter Bekannter von mir, einer der Chefs der KRP, half mir, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ich dort lediglich einige Unterlagen aufbewahren wollte. Nur ich oder er kann sie aus dem Gebäude der KRP holen.«
    »Wer ist dein Bekannter?«
    Manas bemerkte, dass sie zögerte, stand auf und griff nach dem Knebel.
    »Jukka Ukkola. Er ist heute stellvertretender Chef der KRP … oder war es … er ist vom Dienst suspendiert. Ukkola kann das Material nicht holen.«
    »Das hast du hervorragend geregelt«, sagte Manas. »Und du besitzt keine nahen Verwandten, niemanden, mit dessen Tötung man dir drohen könnte. Aber du bist eine kluge Frau, und deswegen fällt dir sicher etwas ein, wie du mir das Material beschaffen kannst, ohne dass einer von uns beiden ins Gebäude der KRP gehen muss.«
    »Dazu bin ich gezwungen, Ukkola anzurufen. Ich weiß nicht einmal genau, wo das Material versteckt ist.«
    * * *
    Der inmitten der Alpen gelegene Zwergstaat Liechtenstein hatte schon so manchen Machthaber erlebt. Vor siebentausend Jahren beteten die Räter auf dem Gutenberg Bronzestatuen an, kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung kamen die Römer und anschließend der Reihe nach die Alemannen, Franken und die Grafen von Bregenz, Montfort, Werdenberg und Vaduz. Danach folgten die Barone von Brandis, die Kriege im Mittelalter, die Grafen von Sulz und Hohenems und die Pest, ehe 1719 schließlich das Reichsfürstentum Liechtenstein entstand. Es gehörte bis 1806 zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, danach bis 1814 als souveräner Staat zum Rheinbund und von 1815 bis 1866 zum Deutschen Bund. Schließlich kooperierte Liechtenstein mit der österreichisch-ungarischen Monarchie und verbündete sich nach 1918 mit der Schweiz.
    Heute herrschte in Liechtenstein das Geld. Im Fürstentum gab es mehr Unternehmen als Einwohner, das Steuerniveau war niedrig, die Gesetze über das Bankgeheimnis wurden streng und die Wirtschaftsgesetze äußerst lax gehandhabt. Für Ausländer war es leicht, ihr Geld in Liechtenstein anonym zu verstecken, weil man eine Stiftung beispielsweise auf den Namen eines einheimischen Juristen registrieren lassen konnte. Das machte das Mikrofürstentum zu einem der weltweit attraktivsten Orte für Leute, die Geldwäsche betrieben und Steuern umgingen. Für alle, die sich in einer rechtlichen Grauzone oder ganz in der schwarzen Zone jenseits des Gesetzes bewegten, war Liechtenstein ein Steuerparadies, für die westlichen Länder, die Steuereinnahmen einbüßten, ein Steuerparasit – es kam ganz auf den Standpunkt an.
    Die bevölkerungsreichste Stadt in Liechtenstein, Schaan mit seinen fünftausend Einwohnern, wurde von Feldern und dem Bergmassiv Drei Schwestern umgeben. Dazwischen lag ein riesiges, modernes Forschungszentrum. Im größten Büro des Verwaltungsgebäudes saß mit angespanntem Gesichtsausdruck der Leiter des Forschungsinstituts, ein Mann mit weißem Haar, derdreiundsechzig Jahre alt war, aber bedeutend jünger aussah und auffallend konzentriert wirkte – Andrej Rostow. Er trank Kaffee und starrte auf das Display seines Laptops, auf dem die Videokonferenzsoftware Genesys gerade das Bild eines verbraucht wirkenden Kirgisen namens Manas zeigte, der keine Miene verzog. Der ehemalige Mitarbeiter des KGB und FSB, der im Auftrag der Stiftung Mundus Novus »nasse Sachen« erledigte, war ein Findelkind und hatte seinen Namen in den Siebzigerjahren an einer Spezialschule der Kommunistischen Partei der Sowjetunion nach dem Helden des kirgisischen Nationalepos erhalten. Die Aufgabe der Internationalen Schule E. D. Stasowa bestand darin, ihre Schüler einer Gehirnwäsche mit der Ideologie der sozialistischen Welteroberung zu unterziehen, aber bei Manas hatte die Einrichtung kläglich versagt.
    Keiner der beiden Männer interessierte sich in irgendeiner Weise für die Geschichte Liechtensteins oder die Missstände in den Rechtsvorschriften des Fürstentums. Sie hatten sich gerade die Nachrichtensendung von BBC World News angeschaut, in der die Zerstörung der US-Nachrichtensatelliten thematisiert worden war.
    »Wenn ein derart gewaltiger Plan umgesetzt wird, kann das nicht völlig ohne Probleme ablaufen«, sagte Andrej Rostow. »Es ist kein Wunder, dass man unsere Fabrik im Sudan gefunden hat oder dem Forschungszentrum in Weißrussland auf die Spur gekommen ist. Der Einfluss des menschlichen

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