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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Mut oder seine Feigheit.
    Jetzt war die nächste Übung an der Reihe, die Bewegung 9 D – die schrägen Bauchmuskeln. Die Zahl seiner Liegestütze sank im Laufe der Jahre nicht merklich, da er ja täglich trainierte. Das Tempo hatte allerdings nachgelassen, er brauchte nun jeden Tag zwei Stunden, um alle Übungen zu absolvieren, trotzdem schaffte er heute mit weit über vierzig Jahren noch fast das Gleiche wie als junger Leutnant des KGB.
    Trainingshandbuch Seite 69. Das physische Spezialtraining hebt die Kampfbereitschaft des Soldaten, lässt ihn oberflächliche Dinge vergessen und stärkt seine Moral sowie seine Willenskraft, indem es eine psychologische Ausgeglichenheit erzeugt, die für die Ausführung militärischer Aufträge unter schwierigen Bedingungen wichtig ist.
    Manas keuchte am Ende der Übungsserie, die Endorphine strömten ins Blut, und er hatte den Eindruck, allmächtig zu sein.Näher würde er dem Zustand, ein Gefühl zu erleben, nicht kommen, es war ihm einfach unmöglich. Er konnte nichts dagegen tun, dass er keine Angst oder Bedrängnis, kein Mitleid empfand – der »himmelblaue Ort« in seinem Gehirn war defekt. Und andere Gefühle vermochte er nicht zu erkennen, weil er unter einer Alexithymie litt. Beide Störungen konnte man nicht heilen, also war er gezwungen gewesen, das Fühlen auf eigene Faust zu erlernen.
    Die bald bevorstehende Hinrichtung versetzte ihn schon in Erregung , es blieb aber noch Zeit für eine Bewegungsserie. Übung 8 C, Rückenmuskulatur.
    Spezifische Ziele des körperlichen Trainings, Trainingshandbuch Seite 70:
    • Meisterliche Beherrschung der Techniken zur Beschaffung von Gefangenen und zur lautlosen Eliminierung von Wächtern.
    • Erlernen der Fertigkeiten, die für Stoßtrupps und Verhaftungskommandos erforderlich sind.
    • Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten, um den Gegner im Zweikampf unter Einsatz von Sambo, Boxen, Karate und Judo ohne Schusswaffen zu besiegen.

13
    Donnerstag, 6. Oktober
    Das Läuten der Klingel war noch nicht verklungen, als der Präsident von Suomen Pankki Erno Laamanen die Tür seines Hauses in Helsinki-Westend öffnete und den Geschäftsführenden Direktor des Fortum-Konzerns, Risto Kankare, einließ. Die beiden begrüßten sich verhalten. Laamanen warf noch einen Blick hinaus auf die Straße, bevor er die Tür schloss – die Jungs aus der Nachbarschaft skateten auf dem Asphalt und das Zivilfahrzeug der Polizei stand immer noch Wache.
    »Haben sie dir auch ein Kindermädchen verpasst?«, fragte Kankare, der seinen Mantel ausgezogen und bereits auf einen Bügel an der Garderobe gehängt hatte.
    Laamanen nickte und marschierte durch das modern eingerichtete Wohnzimmer hindurch in das Kaminzimmer, Kankare folgte ihm auf den Fersen, beide nahmen in von Alvar Aalto entworfenen Ruhesesseln Platz. Laamanen, der sich schon dem Rentenalter näherte, kaute auf der Lippe, und der zwanzig Jahre jüngere Kankare trat nervös von einem Fuß auf den anderen, als würde er Weintrauben stampfen. Beide hatten vor ein paar Stunden von Kirsti Saurivaaras Tod erfahren.
    »Soll ich anfangen und erzählen, was ich herausbekommen habe?«, drängte Kankare. »Saurivaara ist im Tieftemperaturlabor von Otaniemi an einer Stickstoffgasvergiftung gestorben und auf dem Fußboden irgendeines Lagerraums festgefroren, schrecklich. Unfall oder nicht, das wird sich erst herausstellen, wenn die Polizei untersucht hat, was dort passiert ist.«
    Laamanen schloss die Augen und atmete tief aus. »Der Generalstaatsanwalthat Ermittlungen gegen drei Kabinettsmitglieder eingeleitet – gegen mich, dich und Saurivaara.«
    »Scheiße!«, entfuhr es Kankare. »Wo hast du das erfahren?«
    »Von einem Bekannten bei der SUPO, aber auch er konnte nicht sagen, was die Behörden alles wissen.«
    »Warum hat der Vorsitzende … warum hat uns niemand gewarnt?«
    »Gute Frage.«
    »Man will uns doch nicht etwa alle drei zum Schweigen bringen?«, fragte Kankare. »Ist es das, was die Polizei befürchtet? Verdammt, so weit kann das ja wohl nicht gehen.«
    Laamanens ernster Gesichtsausdruck sprach Bände. »Ich bin fast von Anfang an im Kabinett dabei, seit Mitte der Achtzigerjahre. Auch wer im Kopfrechnen eher schwach ist, wird erkennen, dass merkwürdig viele Menschen, die sich mit dem Kabinett angelegt haben, viel zu früh ums Leben gekommen sind. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Mitglieder des Kabinetts im Laufe der letzten Jahrzehnte durch einen Unfall gestorben sind. Aber das

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