Rot
herankäme, in denen hatte sich immer jemand gefunden, der helfen konnte. Es blieb jedoch keine Zeit, Namen zu suchen, die Visitenkarten füllten elf Ordner von Aalto bis Öystilä. Oh Gott, jetzt kehrte der Kirgise schon mit dem stinkenden Lederhelm zurück …
In dem Moment fiel ihr Laura Hakanen ein. Die dreißig Jahre alte, karriereorientierte Magisterin der Verwaltungswissenschaften war unheimlich scharf auf Ernennungen und Beförderungen.Sie kannten sich, dachten beide über viele Dinge das Gleiche, zählten sich beide zu den Rechten und traten für die Interessen der Frauen ein. Also müsste sie nur versprechen, Hakanen in ihrer beruflichen Karriere behilflich zu sein. Ein genialer Einfall.
»Es gibt eine Möglichkeit, Laura Hakanen, die Leiterin der Internen Kontrolle der Obersten Polizeibehörde. Ich weiß nicht, ob sie bereit ist … ob sie imstande ist, ins Hauptquartier der KRP zu gehen und die Unterlagen zu holen, wahrscheinlich würde man sich dort wundern …«
Manas öffnete Eeva Vanhalas Fesseln, loggte sich auf seinem Handy in den Stadtplan ein und überlegte, was der sicherste Treffpunkt wäre. Von Helsinki kannte er nur die Gegend um die russische Botschaft und die zwei, drei Gebiete, in denen er bei den Aufträgen der letzten Jahre unterwegs gewesen war. Zwischen der russischen Botschaft und dem Kaivopuisto-Park gab es zumindest nicht sonderlich viele Unternehmen und Überwachungskameras. »Ich will das Material morgen früh haben. Sag ihr, sie soll es ins Zentrum bringen, am südlichen Ende der Raatimiehenkatu gibt es ein Haus mit einem Torweg. Beruhige dich erstmal einen Augenblick, ehe du anrufst, und schalte den Lautsprecher ein«, befahl Manas, reichte ihr das Telefon und ging in die Küche. Wenig später kehrte er mit einer Kanne Wasser und einem Teller voller Speisereste zurück.
Es dauerte eine Weile, bis sie Laura Hakanen endlich an der Strippe hatte. Eeva Vanhala bemühte sich, einen ganz normalen Eindruck zu machen und sagte, sie könne die Angelegenheit jetzt nicht genauer erklären, ihr aber versichern, dass es sich um einen Stapel ihrer persönlichen Unterlagen handle. Zum Schluss versprach sie, sich für Hakanen einzusetzen, wenn über die nächsten Ernennungen im Innenministerium oder bei der Polizei entschieden würde.
»Sie bringt die Unterlagen morgen Vormittag gegen zehn Uhr in die Raatimiehenkatu«, verkündete Eeva Vanhala und griff hastignach der Wasserkanne, als ginge es um Leben und Tod. Sie trank gierig und schnappte nach Luft, als sie die Kanne endlich absetzte. »Und was geschieht jetzt mit mir?«
Manas antwortete nicht. Er fesselte die Frau wieder, ging in den Schuppen und zündete die Sturmlaterne an. Dann holte er aus seiner Tasche den Becher Kefir, den er auf dem Rückweg in Espoo gekauft hatte, und eine Flasche Wodka und mixte in einer großen Blechdose ein Getränk, das an Kumys erinnerte. Echter Kumys wurde zwar aus Stutenmilch hergestellt, aber die bekam man heutzutage selbst in kirgisischen Läden nicht so leicht. Manas mochte Alkohol nicht besonders, obwohl er Jahrzehnte in Russland gelebt hatte, aber die Denkarbeit erleichterte das Getränk zuweilen: In leicht angeheiterter Stimmung entspannte sich das Gehirn. Die Kirgisen tranken Kumys allerdings meist literweise, von dem legendären Ringer Gombo Demul wurde behauptet, er habe einmal auf einen Schlag sechzig Liter Stutenmilchschnaps getrunken.
Er setzte sich auf den Dielenfußboden und trank in langen Zügen lauwarmen Kumys . Die andere Liquidierung an diesem Tag war immerhin fast perfekt gelungen. Obwohl Dutzende Tonnen Stahl auf die Straße geflogen waren und gewaltige Schäden angerichtet hatten, waren nur ein paar Unbeteiligte verletzt worden. Wenn ihn niemand beim Abfeuern der EMP-Bazooka gesehen hatte, würde man das Ganze zumindest anfänglich für einen Unfall halten. Vielleicht käme nicht sofort der Verdacht auf, die Zerstörung der Elektronik des Lastzugs durch einen elektromagnetischen Puls könnte absichtlich herbeigeführt worden sein.
Bedenken hatte er wegen der Übergabe am nächsten Vormittag. Sollte er das Smirnow-Material selbst holen? Die finnischen Behörden suchten im Zusammenhang mit den zwei Monate zurückliegenden Polizistenmorden immer noch nach ihm. Ein Foto von ihm besaßen die Finnen allerdings nicht, nur eine genaue Personenbeschreibung. Würde die Frau allein in die Raatimiehenkatukommen? Und wenn sie nun nachschaute, was für Unterlagen sie geholt hatte, und es sich
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