Rot
ab und schaute zur Karte von Afrika, die an der Wand hing.
15
Donnerstag, 6. Oktober
Clive Grover tat der Bauch weh, er hatte den ganzen Tag nichts in den Magen bekommen, und es war schon Abend oder Nacht. Man hatte ihn an den Metallstuhl gefesselt, die Muskelkrämpfe wurden von Stunde zu Stunde schmerzhafter. Verdammt, warum kamen die beiden Männer nicht wieder, was hielt sie auf ? Hatte er die falschen Karten ausgespielt? Hätte er den Jungs vom MI5 einen besseren Köder mitgeben müssen, mit dem sich im Thames House die Zugeständnisse, die er wollte, schneller an Land ziehen ließen? Und wann konnte er endlich duschen, um diesen höllischen Gestank loszuwerden?
In gewisser Weise fühlte er sich erleichtert, seit er wusste, dass alles vorbei war. Die ständige Angst aufzufliegen fiel jetzt weg. Aber er durfte sich nicht in sein Schicksal ergeben, sondern musste versuchen, für sich annehmbare Bedingungen auszuhandeln. Immerhin wusste er fast alles über die Attentate, die der SIS in den letzten Jahrzehnten zugelassen hatte, und über die nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen des Irak, einiges auch über Mundus Novus. Unbestreitbar war sein Leben interessant gewesen: Er hatte die Wendepunkte der letzten Jahrzehnte sowohl in Britannien als auch in der Weltpolitik aus nächster Nähe erlebt wie kaum ein anderer: das Bombenattentat von Lockerbie, den Krieg am Persischen Golf, die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan, die Kriege im Irak und in Afghanistan, den Kampf gegen den Terrorismus, die Terroranschläge in London, die Polonium-Vergiftung von Aleksander Litwinenko …
Plötzlich ging die Tür auf und Grover wurde sofort klar, was diebeiden Männer aufgehalten hatte: Als Erster trat John Elliott ein, der Generaldirektor des MI5. Er rümpfte die Nase ob des Gestanks.
Elliott hatte es eilig und machte sich nicht die Mühe, ihn zu begrüßen. Er zog einen der Metallstühle näher zu Grover heran, setzte sich und faltete die Hände auf der Lehne des Stuhles. »Ein enttarnter Agent sollte nicht nach den Sternen greifen, solange er den Wert seiner Handelsware nicht bewiesen hat. Wir können dich jederzeit den Wölfen vorwerfen, entweder schicken wir dich zurück auf die Straße, wo du den Russen ausgeliefert bist, oder wir stecken dich zusammen mit einem Terroristen, den du ins Gefängnis gebracht hast, in eine Zelle. Das würdest du keinen Tag überleben.«
»Wenn dich meine Informationen nicht interessieren würden, wärest du nicht hier«, erwiderte Grover.
»Du behauptest, dass du nicht für die Russen spionierst, sondern für die Silowiki, die in ihren Nachrichtendiensten wirken. Ich fürchte, ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte Elliott.
»Die Silowiki, denen ich Informationen liefere, vertreten nicht die Interessen Russlands. Sie arbeiten für eine andere … Ebene. Bei uns in der ›Firma‹ wird sie Mundus Novus genannt.«
»Und weiter?«, entgegnete Elliott und konnte nur mit Mühe sein Interesse verbergen.
»Verstehe ich das richtig, dass du auf meine Forderungen eingehst?«, fragte Grover.
Elliott nickte.
Grover hätte fast einen Stoßseufzer der Erleichterung von sich gegeben. »Die wichtigsten Leute in den russischen Aufklärungsdiensten, die Führungspositionen besetzen und Macht ausüben, und von ihnen ausgewählte Mitarbeiter sind Teil der Stiftung Mundus Novus. Nach meinem Verständnis ein äußerst wichtiger Teil.«
Elliott überlegte eine Weile. »Mundus Novus hat also nichts mit dem russischen Staat zu tun?«
»Ich würde es eher als Konkurrenten des russischen Staates beschreiben. Als Staat im Staate.« Grover wählte seine Worte mit Bedacht.
»Und worin besteht sein Zweck … sein Ziel?«
»Das weiß ich nicht …«, antwortete Grover und sah in Elliotts Augen, wie dessen Interesse schwand. »Aber ich kann vielleicht etwas herausbekommen, was euch von Nutzen ist. Ich weiß bereits, dass der Zweck von Mundus Novus schon bald, im kommenden Jahr, erfüllt sein wird. Nächstes Frühjahr soll ich … sollte ich mein letztes Honorar bekommen, einen großen Batzen Geld, und dann gewissermaßen in Rente gehen. Sofern das in diesem Geschäft möglich ist.«
Die Neugier kehrte in Elliotts Gesicht zurück. »Du kannst etwas herausbekommen … Und wie?«
»Lass mich frei. Sorge dafür, dass niemand etwas von diesen Verhören erfährt, und lass mich Kontakt zu Wasili Golowkin aufnehmen.«
»Die werden doch versuchen, dich umzubringen«, erwiderte Elliott verblüfft.
»Lass das
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