Rot
etwas, und dann löschte ein Schlag auf ihren Hinterkopf das Licht aus.
* * *
Der Vorsitzende des Kabinetts stand in seiner Wohnung am Fenster und schaute unablässig auf sein Auto in der Sandelsinkatu. Dessen Türen waren nicht verriegelt, weil der Kirgise Eeva Vanhalas Kopien des Smirnow-Materials auf den Rücksitz legen sollte. Seit um zehn, schon fast eine halbe Stunde, starrte er auf seinen Dodge wie auf ein Totem. Warum zum Teufel kam der Kirgise nicht? Er war es gewöhnt, dass man ihn erwartete, und nicht, dass man ihn warten ließ.
Außerdem staunte er über sich selbst, er lauerte darauf, dass Manas endlich auftauchte, wie ein Teenager, der sein Idol sehen wollte. In der Zeit als Ministerpräsident hatte er zwar Präsidenten, Premiers und anderen Großkopferten der Welt die Hand geschüttelt, aber einem echten Profikiller war auch er seines Wissens noch nie begegnet. Kaum einer wagte es, über diesen Berufsstand zu sprechen, es gab allerdings auch ein paar Ausnahmen. Der Anwalt Michail Trepaschkin, ein ehemaliger Oberst des FSB, hatte kürzlich versichert, dass im russischen Geheimdienst weiterhin eine auf Attentate spezialisierte Einheit bestand, die nötigenfalls auch im Ausland aktiv wurde. Und Aleksander Litwinenko, der als Opfer eines Polonium-Mordes zu trauriger Berühmtheit gelangt war, hatte vor einigen Jahren sogar behauptet, in dieser Abteilung gearbeitet zu haben. Doch wie wurde man für die Laufbahn eines Profikillers ausgewählt? Ein normaler Mensch würde sich wohl kaum für diesen Job bewerben oder durch irgendwelcheUmstände in diesem Gewerbe landen. Der Kirgise jedenfalls war der richtige Mann für diesen Beruf, er hatte Saurivaara, Kankare und Laamanen innerhalb von vierundzwanzig Stunden elegant und rasch ausgeschaltet.
Plötzlich huschte etwas Braunes zu seinem Dodge, die Hintertür ging auf und zu, und ein Mann mit Hut und in einem braunen Mantel verschwand blitzschnell wieder hinter der Hauswand. Der Vorsitzende öffnete erst das innere, dann das äußere Doppelfenster und steckte den Kopf hinaus, aber von dem Kirgisen war keine Spur mehr zu sehen. Er fluchte und stürmte hinaus, um Eeva Vanhalas Material zu holen.
Wenig später klatschte der Plastikbeutel auf seinen Schreibtisch. Er enthielt zwei Ordner, der Vorsitzende öffnete die Schnüre, mit denen sie zugebunden waren. Dann holte er aus dem Robur-Tresor sein eigenes Smirnow-Material in einem luft- und wasserdichten Behälter und legte es daneben. Er wollte jedes einzelne Blatt überprüfen und die beiden Stapel solange miteinander vergleichen, bis er herausgefunden hatte, was für Dokumente sich in Vanhalas Material befanden. Erst danach würde er die Unterlagen vernichten.
Er hatte feuchte Hände und sein Puls beschleunigte sich. Rasch schlug er Eeva Vanhalas ersten Ordner auf und las das Dokument, das obenauf lag :
INNENMINISTERIUM
Abteilung Polizei
Stab: 27.11. 2009 SMDno/2009/1447
An:
Kati Soisalo
Mäyrätie 4
00800 Helsinki
BETREFF
Ihre E-Mails an den Leiter der Abteilung Polizei Antero Ruuska sowie an Polizeiinspektorin Laura Hakanen vom 12.9. 2009, 18.9. 2009, 7.10. 2009 und 10.10. 2009
ANTWORT
Die Abteilung Polizei im Innenministerium hat sich mit Ihren Schreiben beschäftigt und stellt unter deren Zugrundelegung fest, dass aus Ihren Schreiben keine Anhaltspunkte oder konkretisierte begründete Fakten hervorgehen, deretwegen die Abteilung Polizei Anlass oder eine gesetzliche Verpflichtung sähe, Maßnahmen gegen den stellvertretenden Leiter der KRP Jukka Ukkola oder einen anderen Beamten der Polizeiverwaltung zu ergreifen.
Die Abteilung Polizei im Innenministerium hat in Beschwerdefällen nur die Befugnis, Maßnahmen zu ergreifen, sofern es um den Verdacht einer fehlerhaften Vorgehensweise bei polizeilichen Handlungen geht. Wenn Sie möchten, dass …
Der Vorsitzende des Kabinetts spürte einen Kloß im Hals, blätterte um und las das nächste Dokument: ein von Jukka Ukkola unterzeichneter Beschluss über den Verzicht auf Anklageerhebung … Eine Reisekostenabrechnung Ukkolas über eine Dienstreise nach Lappland und eine Quittung von »Ahonens Ferienhäuser«, … eine Zusammenfassung Ukkolas …
Der ganze Scheißordner war voll mit Unterlagen Jukka Ukkolas, keine Spur vom Smirnow-Material. Verdammt noch mal, was war passiert? Wer wollte ihn hier verarschen? Wer zum Teufel besaß die Frechheit, ihn auf den Arm zu nehmen?
* * *
Markus Virta, der Kriminalinspektor im Taschenformat, klingelte an der
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