Rot
Tür von Jukka Ukkolas Kriegsveteranenhaus in Pitäjänmäkiund fragte sich, warum Ukkola in einem Eigenheim wohnte, wenn er keinen Garten pflegen wollte. Das Laub war nicht geharkt, das Gras stand kniehoch und die Weißdornhecke sehnte sich nach der Schere wie ein obdachloser Pudel. Der Vergleich brachte ihn auf die Palme, er war es doch, der den Pudel machte, er kutschierte Ukkolas Unterlagen durch die Gegend und brachte sie ihm brav wie ein Haushund. Als wäre er sein Laufbursche. Dabei war er schließlich Chef der Einheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Ermittlungsabteilung. Doch für Reue war es jetzt zu spät, er hatte sich für eine Seite entschieden und bei derart vielen Dienstvergehen und Delikten Ukkolas weggesehen, dass er wohl bis ans Ende aller Tage Ukkolas Befehlsempfänger bleiben musste. Oder zumindest bis zu Ukkolas Amtsenthebung.
Die Tür ging auf und Jukka Ukkola riss ihm den Griff des Pilotenkoffers aus der Hand. Er nahm die Ordner heraus, nach denen Eeva Vanhala gefragt hatte, und gab Virta die leere Tasche zurück. »Wie ist es gelaufen?«
»Ich habe mir bei Sirpa von der Wirtschaftskriminalität den Schlüssel für den Archivschrank ausgeliehen, die zwei Ordner herausgenommen, wie du es gesagt hast, und stattdessen zwei andere mit deinen Unterlagen hineingestellt.«
Ukkola erschrak: »Du hast doch die Aufkleber ausgetauscht, die mit der Aufschrift Hinweise, die erwiesenermaßen falsch sind ?«
Virta nickte.
»Es hat hoffentlich niemand gesehen, was du da geholt hast?«
»Viel hat nicht gefehlt. Die Chefin der Internen Kontrolle, die mit dem tollen Arsch, die Hakanen, ist nur ein paar Minuten nach mir an demselben Schrank gewesen. Angeblich hat sie den ganzen Inhalt mitgenommen, über zwei Dutzend Ordner.«
Auf Ukkolas Gesicht erschien ein schiefes Lächeln. »Wir kommen darauf zurück«, sagte er und schlug Virta die Tür vor der Nasezu. Ihm juckte es in den Fingern, Eeva Vanhalas Unterlagen durchzublättern, er wollte sich vergewissern, dass sie nichts enthielten, was dem Kabinett schaden könnte. Es war eine geniale Idee gewesen, Virta die Ordner mit Vanhalas Material gegen zwei seiner eigenen austauschen und herbringen zu lassen. Der Vorsitzende hatte gesagt, dass man Vanhala nicht trauen konnte, und ihr hektischer Anruf hatte in seinem Kopf die Alarmglocken läuten lassen. Menschenskind, manchmal war man von seinem eigenen kompetenten Handeln selbst richtig gerührt.
Ukkola legte die Dokumente auf den Esstisch im Wohnzimmer, setzte sich und zog aus dem Stapel willkürlich ein mit der Hand beschriebenes Blatt hervor:
Ein sowjetischer Diplomat bittet in den siebziger Jahren Kirsti Saurivaara um die Beschaffung von Informationen. Hingen die Unterlagen mit Spionage zusammen? Ukkola nahm das nächste Dokument: Geheimprotokoll Nr. 182. Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU vom 1.2.1980: »Zur Information anden Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale Willy Brandt und den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Finnlands Kalevi Sorsa.«
Ukkolas Mund verzog sich zu einem Lächeln. In fieberhafter Eile blätterte er in den Unterlagen: eine Fotokopie der von der SUPO über Sergej Sidorow angelegten Karteikarte. Das nächste Dokument war in Russisch abgefasst, dann fand sich in dem Stapel ein Bündel Kopien von mit dem KGB-Stempel versehenen Karteikarten über Personen … jedes einzelne Blatt zierte ein roter Stempel: Geheim – zu vernichten. Die Aktenzeichen der SUPO verschwammen vor seinen Augen: SUPO amp XXII A 1–1, R 4/74, SUPO amp XXI-II I, ein von Hauptkommissar Torsti Wahlström handschriftlich abgefasster Bericht, 41 Seiten, 14.4.1976, Geheimtelegramm Nr. 29 der sowjetischen Botschaft in Helsinki, jede Menge Unterlagen in Russisch …
»Mann oh Mann!«, entfuhr es Jukka Ukkola, als ihm klar wurde, was für ein Material da auf seinem Esstisch lag. Es besaß einen unermesslichen Wert. Ein großer Teil der Entscheidungsträger, die in Finnland auf den einflussreichsten Posten saßen, hatte mit dem KGB zusammengearbeitet. Wie zum Teufel war dieses Material in Eeva Vanhalas Hände gelangt? Und zu welchem Zweck wollte sie es jetzt verwenden? Mit diesen Unterlagen könnte man das ganze Kabinett vernichten.
Ukkola ging eine Weile in seinem Wohnzimmer auf und ab und blieb dann stehen, um die Sammlung japanischer Schwerter und Messer an den Wänden zu betrachten. Jetzt musste er nur entscheiden, wie er diese neuen Informationen zu
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