Rot
bewahrte es in seinem Tresor auf und holte damals eine Karteikarte mit Informationen zu einer Person heraus, das Dokument hing mit der gerade laufenden Kampagne Bill Clintons für die Präsidentenwahl zusammen.« Ketonen machte eine kurze Pause und verschlang auf einen Schlag den Rest seines Gemüseomeletts.
»Diese Karte trug denselben Vermerk mit den Buchstaben EK/S am Anfang, den du angeblich auf den Unterlagen gesehen hast, die dir der Anwalt Kärävä gezeigt hat. Kekomäki hat in der Regel seine eigenen Geheimpapiere mit seinen Initialen EK, einer laufenden Nummer und der Jahreszahl registriert. Das Smirnow-Material war das einzige, das er mit EK/S gekennzeichnet hat.«
»Und das Material befand sich natürlich nicht mehr in dem Tresor, als du den Posten des Chefs geerbt hast. Was ist damit passiert?«
»Ich würde denken, das hat einer oder haben einige von denen an sich gebracht, die eine Veröffentlichung des Materials zugrunde gerichtet hätte«, stellte Ketonen fest.
»Hast du nichts unternommen, um danach zu suchen?«
Ketonen lachte. »Dieses Material war ja offiziell gar nicht vorhanden. Und zu der Zeit ist es in der SUPO nicht üblich gewesen, eine Auskunft zu Unterlagen des Chefs zu verlangen, das dürfte heute nicht anders sein.«
Am Tisch trat für eine Weile Schweigen ein, Kara aß seine Portion auf.
»Ist das Kabinett der Grund dafür, dass du nach dem Smirnow-Material suchst?«, fragte Ketonen schließlich. »Du würdest in diesen Unterlagen zweifellos jede Menge Antworten auf deine Fragen finden. Auch auf verdammt viele, die du nicht einmal stellen kannst.«
»Es ist teilweise wegen des Kabinetts«, antwortete Kara und beschloss das Thema zu wechseln. »Laut Saara Lukkari bist du anscheinend überrascht gewesen, als du gehört hast, dass mein Vater noch lebt.«
»Ich wusste nicht, dass Aleksi Kara dein Vater war … ist. Du hast kein einziges Mal eine Frage zu ihm gestellt, und dein Familienname hat bei mir auch nicht die Glocken läuten lassen. Das Leben eines alten Mannes ist einfach, man braucht nicht einmal mehr zu trinken, um sein Gedächtnis zu ruinieren, es setzt von allein aus.«
»Was weißt du von meinem Vater?« Kara wurde allmählich ungeduldig.
»Über ihn wurde in den siebziger Jahren bei der SUPO eine Akte angelegt wie über fast alle anderen Wissenschaftler, die im Tieftemperaturlabor der Technischen Hochschule arbeiteten. Das, woran ich mich erinnere, hängt nicht so sehr mit deinem Vater zusammen, sondern mit seinen … menschlichen Beziehungen.«
»Kirsti Saurivaara hat die Namen Arkadi Timtschenko und Lilith Bellamy erwähnt«, sagte Kara.
»Du weißt ja mehr, als ich vermutet habe«, erwiderte Ketonen überrascht. »Was Bellamy angeht, entsinne ich mich nur noch, dass sie ernsthaft erkrankt war. Timtschenko hingegen ist eine ganz andere Geschichte. Er ist ein Spieler auf Weltklasseniveau, laut Nowaja Gaseta hat er mit großem Geschick weltweit die Milliarden von Russlands Mächtigen, die ihr Land geschröpft haben, versteckt.« Ketonen hob die Arme. »Da hast du noch etwas mehr, worüber du dir den Kopf zerbrechen kannst. Bisher hat es kein einziger investigativer Journalist geschafft, Timtschenkos Firmenknäuel zu entwirren und seine Geheimnisse aufzuklären.«
»Danke für die aufmunternden Worte.«
Ketonen zog die Brauen tiefer und schien zu zögern. »Bei der SUPO stand auch deine Mutter unter Beobachtung. Wenn ich mich recht entsinne, hatten wir zu ihr einen Hinweis aus England bekommen, vom SIS.«
Es dauerte einen Augenblick, ehe Kara bereit war, zu glauben, was er da eben erfahren hatte. »Das hört sich eigenartig an, meine Mutter war … hauptsächlich Lehrerin. Was hattet ihr für einen Hinweis bekommen?«
»Solche Details behält man nicht jahrzehntelang im Kopf. Vielleicht hatte deine Mutter Kontakte zu Kommunisten oder zu Leuten aus der Sowjetunion oder so etwas Ähnliches.«
»Ist das alles, was du weißt?«
»Ich kann mich bei dir melden, wenn mir noch etwas einfällt. Dein Projekt wird allmählich interessant. Übrigens erinnerst du mich sehr an den Schwiegersohn meiner Frau. Ihr seid beide der Typ Weltverbesserer, der sich ständig über alles Gedanken macht. Aber auf eurem Gebiet seid ihr sehr kompetent.«
»Sag ihm einen schönen Gruß«, erwiderte Kara und bestellte die Rechnung. Der angestaute Hass war erwacht, er wärmte ihn innerlich und war jahrzehntelang seine Triebkraft gewesen. Jetzt hatte er Betha schon das zweite Mal dabei
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