Rot
Manas klar. Doch er sah in der neuen Situation nichts Besonderes, lediglich die Spielregeln hatten sich geändert. Nur eins wunderte ihn: Warum klappte in Finnland nie etwas so, wie es sollte. Und warum wurden gerade ihm alle Aufträge in Finnland erteilt, obwohl er eindeutig unter allen Hitmen von Mundus Novus derjenige war, der sich die größten Verdienste erworben hatte. Die Stiftung setzte auch viele andere Killer ein, die in der Verwaltung V des KGB dafür ausgebildet worden waren, »nasse Sachen« zu erledigen. Und garantiert wurden ihr auch Männer aus der jetzigen Abteilung für Attentate des FSB zur Verfügung gestellt. Die wichtigsten Führer des FSB standen fast alle auf der Gehaltsliste von Mundus Novus.Etwa einen Kilometer von ihrer Hütte entfernt blieb Eeva Vanhala mitten im dichten Fichtenwald stehen, legte ihre gesunde Hand aufs Knie und holte gierig Luft. Sie war noch am Leben. Nach dem, was sie eben durchgemacht hatte, wäre sie künftig zu allem imstande, obwohl der stechende Schmerz in der Hand ihr fast den Verstand raubte. Würde der Kirgise sie auf den Kieswegen suchen oder annehmen, dass sie sich bemühte, in irgendeinem Haus der Umgebung Hilfe zu bekommen? Manas konnte nicht wissen, dass es in dieser Gegend nur einige Grundstücke gab, die das ganze Jahr über bewohnt waren. Und auch dort würde man wahrscheinlich mitten am Tag niemanden antreffen. Sollte sie in ein Haus einbrechen, um ein Festnetztelefon zu benutzen? Verwendete die auf dem Lande noch jemand? Käme sie vielleicht bis nach Fiskars oder Pohja?
Plötzlich hatte sie eine Idee und richtete sich auf – Ruukkigolf. Das Haus des Golfklubs war bis achtzehn Uhr geöffnet, dort könnte sie anrufen und dort würde der Kirgise sie nie und nimmer suchen. Eeva Vanhala blickte auf ihre linke Hand, verzog das Gesicht vor Ekel und wandte sich ab. Sie war angeschwollen, unförmig, rot und schwarz. Bis zum Golfklub wären es etwa drei Kilometer durch den Wald. Das würde sie schon schaffen.
Eeva Vanhala zerrte sich den Mantel herunter, riss die Ärmel heraus und wickelte sie um ihre nackten Füße.
* * *
Frustriert fuhr Kati Soisalo durch ihr kurzes Haar, sie saß in Paranoids Arbeitszimmer und hätte die Wände hochgehen können, so viel Kaffee hatte sie getrunken. Von früh an war sie mit Paranoid die Passagierlisten der Reedereien durchgegangen, ohne irgendein greifbares Ergebnis.
Plötzlich sprang Paranoid auf. »Jetzt muss ich eine Pause einlegen, sonst wird mir schwarz vor Augen.«
»Ich bin auch halb tot vor Müdigkeit. Aber vergiss nicht, warum wir das machen«, fuhr Kati Soisalo ihn an, und zwar heftiger als gewollt.
»Du bist doch selber gestern schon am frühen Abend nach Hause schlafen gegangen«, erwiderte Paranoid verwundert.
»Ich hatte es versprochen«, fauchte sie zurück.
»Wem?«
Kati Soisalo gelang es im letzten Moment die giftige Bemerkung zu verschlucken, die ihr schon auf der Zunge lag. Sie durfte Paranoid nicht verärgern, obwohl es ihn einen feuchten Kehricht anging, was sie tat. Ein Eifersuchtsdrama fehlte ihr jetzt gerade noch. »Bei uns beiden liegen die Nerven blank. Mach ruhig eine Pause. Iss etwas, trink Kaffee, geh auf den Balkon, lüfte deinen Kopf, damit er wieder funktioniert.«
Sie setzte sich auf Paranoids Sattelstuhl und suchte weiter in den Passagierlisten, obwohl sie die schon mehrmals durchgesehen hatte. Endlose Reihen von Namen, die Buchstaben verschwammen ihr vor den Augen; zwischen Stockholm und Helsinki verkehrten täglich mehrere Fähren mit tausenden Menschen. Sie würden nie etwas fin …
Jose Sinko. Sie blieb an dem Namen hängen und verschlang ihn regelrecht, warum zum Teufel hatte sie den überlesen? Sie kannte einen Mann dieses Namens. Ihre Gedanken setzten zum Flug an.
»Paranoid!«, rief sie so laut, dass er zwei Sekunden später in der Tür seines Arbeitszimmers erschien.
»Wenn du ein Kind nach Finnland schmuggeln müsstest und es nicht selber tun möchtest, wen würdest du dafür nehmen?«, fragte sie.
Paranoid wirkte überrascht, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Was hast du gefunden?«
»Jose Sinko, den Namen vergisst man nicht so leicht. Ich habe den Mann letztes Frühjahr im Amtsgericht als Zeugen des Staatsanwalts gesehen, er hat alles Mögliche erzählt und so unverschämtgelogen, dass ich mich aus lauter Neugier mit seinem Hintergrund beschäftigt habe.« Kati Soisalo schien stolz auf sich zu sein.
»Und?«
»Sinko arbeitet in einem
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