Rote Fesseln: Erotischer Roman (German Edition)
Kundin.
Sie holte Rita Busch vom Zug ab. Es war noch immer bitterkalt, und über Nacht hatte es geschneit. Rita trug ihren kleinen Chihuahua in einer Tasche mit sich herum und war über fünfzig. Ihr Mann war im Vorstand eines großen Energieunternehmens, und sie verbrachte den lieben langen Tag damit, sein Geld zu verprassen.
Zuerst lud Pia ihre Kundin zum Frühstück ins Café Einstein Unter den Linden ein.
»Das gehört zu einem guten Berlinbesuch einfach dazu«, verkündete Pia, als sie aus dem Taxi sprangen und die wenigen Schritte zum Café schnatterten. »Das ist richtige Kaffeehauskultur, Rita.«
Rita kam aus Hamburg. Sie wollte zwei Tage bleiben und im Adlon Kempinski nächtigen, wohin Pia ihr Gepäck – zwei mittelgroße Koffer – vom Taxifahrer hatte bringen lassen.
»Ich will vor allem shoppen«, verkündete Rita. »Meine Freundinnen schwärmen mir immer vor, wie toll man in Berlin shoppen kann. Und als ich dann erfuhr, dass Sie nun hier leben und man Sie als … nun ja«, sie geriet ins Stottern.
»Einkaufshilfe?«, versuchte Pia es. Aber beide spürten, wie falsch das klang.
Der Kellner brachte ihnen den Milchkaffee in Bols. Während Pia Zucker einrührte und das Madeleine zum Milchkaffee sofort vertilgte – sie war ohne Frühstück aus dem Haus gehetzt, und das rächte sich jetzt –, verfütterte Rita ihr Madeleine an den Hund in der Tasche, den sie zärtlich Puperl nannte.
Verschwörerisch beugte sich Rita vor: »Sie müssen mir alles erzählen, Pia. Ich bin ja so neugierig!«
Die erste Woche in Berlin hatte ihre Vergangenheit vollständig in den Hintergrund treten lassen, weshalb Pia etwas verwirrt war.
»Was soll ich Ihnen denn erzählen?«, fragte sie höflich.
»Na ja, wie das war. Mit diesem Psychopathen. Sie hatten doch eine Affäre mit ihm.«
Pia wurde eiskalt. Sie umklammerte mit zitternden Fingern die Bol. »Da gibt es nichts zu erzählen«, murmelte sie.
»Schade, ich glaube, Sie wollen wirklich nicht darüber reden.«
Pia atmete durch. Also war ihrer Kundin noch ein letzter Rest Verstand geblieben.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte sie mühsam beherrscht.
»Ach nein! Wir sind ja auch eigentlich hier, um gemütlich ein bisschen zu shoppen.«
Der Rest des Frühstücks verlief ohne weitere Zwischenfälle. Pia dachte darüber nach, warum alle Welt glaubte, über Johannes Bescheid zu wissen.
Er hatte das alles für sie getan. Nur weil er sie liebte und ihr die Welt zu Füßen legen wollte – was seine finanziellen Mittel ihm nicht erlaubten –, hatte er die Gelder ihrer Cousine Isabel veruntreut. Und als Isabel ihm auf die Schliche kam, hatte er sich nicht anders zu helfen gewusst. Er hatte versucht, sie einzuschüchtern, und als das nicht half, hatte er eine Verzweiflungstat begangen. Dass die Medien ihn deshalb zum Psychopathen abstempelten und Pia gleich noch zur Geliebten, die mit ihm gemeinsame Sache machte, war nicht fair.
Aber wann war das Leben schon fair?
Nach dem Frühstück begann die ausgedehnte Shoppingtour. Pia durfte sogar die Handtasche mit Puperl tragen, während Rita sich ins Getümmel stürzte. In jedem Laden, den sie betraten, brach sie in wahre Begeisterungsstürme aus und versicherte Pia, dass man so was in Hamburg garantiert nirgends bekäme. Pia lächelte nur müde und sorgte dafür, dass Rita – die eher ein Sommertyp war – nicht ihrer Vorliebe für alles Rostfarbene frönte.
Mittags nahmen sie einen Imbiss bei Nordsee ein (einfach weil Pia wissen wollte, ob Rita auch das in Hamburg nicht bekam), und anschließend führte Pia ihre Kundin auf ausdrücklichen Wunsch in einen der überfüllten, mit Kitsch vollgestopften Souvenirläden unweit von Madame Tussauds.
Auch hier kannte Ritas Begeisterung keine Grenzen. Während sie sich nicht zwischen den verschiedenen »I V Berlin«-T-Shirts entscheiden konnte, schaute Pia auf ihr Handy. Ein Anruf in Abwesenheit, eine unbekannte Nummer.
Sie stellte die Tasche mit Puperl auf den Boden und wählte die Nummer. Sie wusste, dass Rebus ihre Webseite in den nächsten Tagen online schalten wollte, und vielleicht hatte ja schon die nächste Kundin Interesse an ihrem Angebot.
Nach dem zweiten Klingeln sprang die Mailbox an. »Hier ist Rebus, hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Sie legte vor Schreck auf. Seine Stimme ging ihr durch und durch, und sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Seit ihrem Besuch in seinem Loft vor einer Woche hatte sie ihn nicht mehr
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