Rote Gruetze mit Schuss
von umgekippten Stühlen, zerbrochenen Krügen und herumliegenden Gerätschaften. Leif war nach den nächtlichen Ereignissen einfach zu fertig, um einen klaren Gedanken zu fassen. Es lag jetzt an Lara, den Überblick zu behalten und hier irgendwie Klarschiff zu machen.
Lara hatte sogar an Arbeitshandschuhe gedacht, damit sie keine Fingerabdrücke hinterließen. Als Erstes mussten sie Jörn verschwinden lassen. Zögernd betrachtete sie ihren toten Mann. Sie wunderte sich über die vielen Schnittverletzungen, aber als sie die Sense sah, die immer noch im Bauch des Toten steckte, wichfür einen Moment der Rest Farbe aus ihrem Gesicht. Jemand musste die Sense aus seinem Bauch ziehen. Sie fasste sich ein Herz und zog an dem Griff, krampfhaft bemüht, nicht wirklich hinzusehen. In der Wachsjacke, die die Sense durchschnitten hatte, war danach nur ein kleiner, rot umrandeter Schnitt zu sehen. An dem Sensenblatt klebten Blutspuren, die Lara notdürftig kaschierte, indem sie die Klinge ein paarmal über den strohbedeckten Boden schabte.
Dann hatten sie Jörn mit vereinten Kräften durch den Stall zu seinem Landrover geschleppt. Seine Füße zogen eine Spur durch den Sand bis zum Auto. Völlig außer Atem bugsierten sie ihn in den Kofferraum. Leif glitt dabei immer wieder die verdammte Wachsjacke aus den Händen. Der lange Brodersen erwies sich als äußerst sperrig. Ein Bein verklemmte sich zwischen Wagenheber und Warndreieck. Leif war nicht richtig bei der Sache. Die ganze Zeit quälte ihn die Frage, wo Swaantje abgeblieben war.
Auch die Idee, Jörn mitten in der Nacht mit seinem eigenen Mähdrescher auf die von-Rissen-Wiese zu fahren, kam von Lara. Es sollte wie ein Unfall aussehen. Und falls doch jemand in Verdacht kam, dann würde das am ehesten Dossmann sein. Das hätte dann den nützlichen Effekt, dass sie ihren Konkurrenten um die Wiese loswerden würde. Leif war heilfroh über die Tatkraft und Entschlossenheit seiner Schwester, aber sie war ihm auch etwas unheimlich.
Beide hatten zwar große Bedenken, bei ihrer Fahrt mit dem Mähdrescher beobachtet zu werden. Mitten in der Nacht war man damit normalerweise nicht unterwegs,es sei denn in der Erntezeit, bevor am nächsten Tag der große Regen kam. Lara saß im Fahrerhaus der Dreschmaschine hinter dem Steuer. Das metallene Tuckern der Maschine hallte unheimlich durch die Nacht. Leif wusste gar nicht, dass seine Schwester dieses Ungetüm so routiniert handhaben konnte. Er saß quer zu ihr auf dem Notsitz, der tote Brodersen hing halb über ihm. Es war stockdunkel. Lara ließ die Scheinwerfer ausgeschaltet. Nur als sie die Dreschmaschine von der Landstraße auf die Wiese steuerte, blendete sie kurz das Licht auf. Dann legte sie den Hebel für die Dreschmaschine um. Leif konnte es kaum erkennen, aber er konnte hören, wie die große Haspel jetzt rotierte. Die Maschine bahnte sich einen Weg durch die ungemähte Wiese. »Los, komm«, rief Lara ihrem Bruder zu.
Leif hatte Mühe, den Leichnam seines Schwagers aus dem Fahrerhaus hinauszuwuchten. Aber dann fiel Brodersen wie von selbst auf den Schneidetisch vor die Einzugsschnecke des Mähers, von wo er über ein Förderband zur Dreschtrommel transportiert wurde. Sie hörten ein Rumpeln, dann ein Quietschen, und dann stand die Maschine still. Leif wollte das alles gar nicht mitansehen, und in der Dunkelheit war sowieso kaum etwas zu erkennen gewesen.
Anschließend hatten sie Leifs Auto geholt, das noch in der Nähe der Remise stand. Vollkommen erledigt waren sie schließlich nach Hause gefahren. Sie mussten noch Jörns Landrover gründlich reinigen und ihn in den Hof zurückstellen. Leif wollte heute bei seiner Schwester auf dem Hof übernachten. Bevor sie schlafengingen, hatte Lara noch einen Kräutertee aufgebrüht und Meditationsmusik aufgelegt, was bei Lara umgehend zu einem tiefen Schlaf führte. Leif dagegen tat kein Auge zu. Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Brodersen war tot, Swaantje war tot – und verschwunden. Müsste er sich nicht sofort auf die Suche nach ihr machen? Aber wo? Und dann erschien immer wieder der blutüberströmte Brodersen vor seinen Augen. Leif Ketels hatte zwar reichlich Erfahrung mit Versicherungsbetrug, aber jetzt hatte er tatsächlich einen Mord begangen. Und zur gleichen Zeit war er Witwer geworden. Was für eine Nacht!
»Aber du hast ihn nicht ermordet«, haucht Lara an diesem sonnigen Morgen ihrem Bruder immer wieder ins Ohr und streicht ihm über die fusseligen
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