Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
steckte wirklich hinter allem ein Sinn, wie Adam meinte.
So sehr ich dieses ganze Hellseher-Gerede der alten Hebamme und diese Prophezeiungen des Preascarium Lilitu als Humbug abgetan hatte, so wenig war ich jetzt in der Lage, es noch immer völlig zu leugnen. Vielleicht war ja doch etwas dran. Möglicherweise hing damit ja auch meine Immunität gegenüber Äpfeln und Cidre-Kugeln zusammen? Das könnte man natürlich auch auf den Magieranteil in mir zurückführen, aber ich vermutete, dass mehr dahintersteckte.
Zudem hatte sich meine Großmutter stets seltsam benommen, wenn die Sprache auf mein Muttermal kam – und das wohl nicht nur deshalb, weil es sie an mein gemischtes Blut erinnerte. Auch meine Schwester trug dieses Zeichen auf ihrem Rücken. Verhielt es sich bei ihr ähnlich wie bei mir? Zu dumm, dass ich sie nicht fragen konnte, ob auch bei ihr Äpfel keine Wirkung zeigten.
Als ich daran dachte, dass mich meine Großmutter all die Jahre über belogen hatte, ließ das den Hass erneut in mir aufwallen. Endlich verstand ich, wieso sie sich mir gegenüber stets so gefühllos verhalten hatte. Offensichtlich war ich in ihren Augen nur das verabscheuungswürdige Ergebnis des töchterlichen Sündenfalls – eine Spielfigur, die man dazu einsetzte, um alle Magier für den frühen Tod der Tochter büßen zu lassen.
Selbst jetzt, als ich endlich die Wahrheit sah, fiel es mir schwer, ganz zu begreifen, wie man so eiskalt und berechnend sein konnte. Hatte Großmutter nie ein Herz besessen? Oder hatte sie erst der Tod ihrer Tochter so versteinern lassen, dass sie nichts mehr empfand?
Ich schob den Gedanken an meine Großmutter beiseite. Schließlich musste ich mich auf die bevorstehende Auseinandersetzung konzentrieren. Später konnte ich
dann immer noch versuchen, das alles zu verstehen und mir zu überlegen, wie ich mich verhalten wollte.
Als wir den Highway verließen, wurde das Auto langsamer. Gleich war es so weit. Eigentlich hätten mich meine Überlegungen deprimieren sollen, doch stattdessen empfand ich eine wahnwitzige Wut. Und ich hatte vor, dieser Wut auch Ausdruck zu verleihen – und jeden zu bestrafen, der mir in die Quere kam.
Als wir endlich auf dem Feld neben der ungeteerten Straße parkten, die sich hinter dem Weingut der Dominae entlangzog, herrschte beinahe Dämmerung. Wir kletterten einer nach dem anderen aus dem Wagen und sahen uns blinzelnd um. Drei Feen und fünf Vampire stellten sich vor mir auf. Vinca und Frank standen rechts und links neben mir.
Frank ergriff das Wort, da er für die logistische Planung des Angriffs zuständig war. »Denkt an unsere Besprechung. Zuerst die Feen. Sobald sie das Sicherheitssystem lahmgelegt haben, greifen die Vampire an. Wir wollen nicht, dass irgendwelche Magier verletzt werden. Vergesst das nicht! Da das Gut für Besucher nur am Wochenende offen steht, müssen wir uns keine Sorgen um Sterbliche machen. Soweit alles klar? Noch irgendwelche Fragen?«
»Einen Moment«, meldete ich mich zu Wort. »Der Plan lautete doch, dass wir die Magier befreien und uns dann so schnell wie möglich wieder verziehen.«
Frank schüttelte den Kopf. »Das hat sich inzwischen geändert. Clovis hält es für sinnvoll, solange dort zu bleiben, bis wir die Konserven mit Magierblut zerstört haben.«
Ich packte ihn am Arm und zog ihn außer Hörweite der Gruppe. »Was zum Teufel soll das?«, flüsterte ich aufgebracht.
»Warum hat man mich darüber nicht vorher informiert?«
»Das war eine Entscheidung in letzter Minute«, erklärte Frank. Als ich gerade loslegen und ihm klarmachen wollte, was ich von solchen Entscheidungen in letzter Minute hielt, hob er die Hand. »Ich will nichts weiter hören, Sabina. Clovis hat hier das Sagen. Verstanden? Wenn dir das nicht passt, kannst du gleich verschwinden.«
Es war offensichtlich, dass ihm diese Option am meisten behagt hätte. Stattdessen biss ich jedoch die Zähne zusammen und ballte die Fäuste.
»He, ihr zwei! Wir verschwenden wertvolle Zeit«, rief uns Vinca zu.
Ich sah zuerst zu ihr und dann wieder zu Frank. Da mir nichts anderes übrigblieb, nickte ich gequält und kehrte zur Gruppe zurück. »Gehen wir.«
Wir überquerten die Straße und kletterten über den Zaun, der das Grundstück umgab. Vor uns lag ein Weinberg mit zahllosen Reihen von Rebstöcken. Dort teilten wir uns auf. Die Feen liefen nach links und die Vampire nach rechts – mit mir in ihrer Mitte. Es waren leise Fußtritte zu hören, während wir über das
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