Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
sicher, dass das nicht passieren wird.«
Meine Augen wurden schmal. »Und weshalb sind Sie sich da so sicher?«
»Weil Sie schon bald begreifen werden, dass sich die Welt für die Schattengeschlechter ändern wird. Und all jene, die sich nicht einer bestimmten Gruppe zuordnen, werden gnadenlos untergehen.«
»Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen«, entgegnete ich scharf.
»Das bezweifle ich auch nicht«, sagte Clovis. »Allerdings nehme ich nicht an, dass Sie sowohl die Dominae als auch mich zu Ihren Feinden zählen wollen.«
Da war sie also. Die unterschwellige Drohung, auf die ich insgeheim die ganze Zeit gewartet hatte. Es hätte mich geradezu gewundert, wenn sie nicht gekommen wäre.
Er richtete sich auf. »Verzeihen Sie. Es ist bestimmt nicht nötig, Ihnen das zu sagen. Da bin ich mir sicher.« Sein Lächeln wirkte freundlich. Trotzdem hing die Drohung weiterhin in der Luft. »Wo wohnen Sie eigentlich, während Sie in San Francisco sind?«
Der plötzliche Themenwechsel ließ mich für einen Moment unvorsichtig werden. »In meinem Motel. Mit meinem D… Meinem Kater.«
»Wenn es nicht zu aufdringlich erscheint, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen.«
Ich legte den Kopf zur Seite und versuchte zu erraten, worauf er hinauswollte.
»Zum Tempel gehören einige Appartementblocks, und zufälligerweise hat ein weibliches Mitglied gerade ein Zimmer bei sich frei.«
Ich schüttelte bereits ablehnend den Kopf, doch er hob eine Hand, um meinem Protest Einhalt zu gebieten. »Vinca gehört zu meinen klügsten Leuten. Ich glaube, Sie beide würden sich ausgezeichnet verstehen«, sagte Clovis. »Außerdem beantwortet sie bestimmt gerne alle Ihre Fragen bezüglich unserer Gruppe.«
»Das ist wirklich nett von Ihnen«, schwindelte ich. »Aber ich möchte ehrlich gesagt nicht mit jemandem zusammenwohnen, den ich noch nie getroffen habe.«
Wir waren inzwischen beinahe wieder vor dem Tempelportal angekommen, wo Frank bereits wartete.
»Ich bestehe darauf«, entgegnete Clovis. »Es sei denn, Sie möchten lieber in einen unserer Schlafsäle ziehen. Das ist allein Ihre Entscheidung.«
Diese Vorstellung gefiel mir noch weniger als mit dieser Vinca zusammenzuwohnen. Ich überlegte hastig. Wenn ich mich zu sehr sträubte, könnte ihn das misstrauisch machen. Allerdings sagte es mir ganz und gar nicht zu, dass mir jemand ständig über die Schulter schauen konnte. Gleichzeitig würde mir ein Zusammenleben mit einem Mitglied der Clovis-Gang vielleicht ermöglichen, mehr über sie in Erfahrung zu bringen, als wenn ich im Motel blieb. Wenn ich mich an diese Vinca heranschmeißen und sie nach Details ausfragen könnte, käme mir diese Vereinbarung vielleicht sogar noch zugute.
Ich sah Clovis an, der lächelte, als wäre er sich meiner Zusage bereits sicher. Im Grunde blieb mir tatsächlich keine andere Wahl.
»Okay, dann ziehe ich um. Ich würde Sie nur bitten, mir noch etwas Zeit mit meiner Entscheidung zu lassen.«
»Natürlich«, erwiderte er. »Frank wird Vinca verständigen und ihr mitteilen, dass sie Sie heute Nacht erwarten kann.«
12
Zwei Stunden später blickte ich zu einem rosa gestrichenen, einstöckigen Mietshaus auf, das mit ziemlich viel Stuck verziert war. Es befand sich etwa zwei Kilometer vom Tempel entfernt. Frank hatte mich zu meinem Motorrad am Palace of Fine Arts zurückgefahren und dann auf mich gewartet, während ich im Motel Giguhl und meine Habseligkeiten zusammengepackt hatte. Dann folgte ich ihm zu Vinca. Giguhl – Lilith sei Dank – hatte sich die ganze Fahrt über ruhig verhalten. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass ich später noch einiges von ihm zu hören bekommen würde.
Während ich vor der fröhlich wirkenden Hausfassade stand, verkrampfte sich mein Magen. Irgendwie war es Clovis gelungen, mich zu etwas zu überreden, bei dem ich keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde.
Frank versetzte mir mit Giguhls Käfig einen kleinen Stoß. Er hatte angeboten, ihn zu tragen, da ich bereits mit Helm und Tasche genug zu tun hatte. »Der Eingang liegt im Hof«, sagte er.
Ich ging die vier Betonstufen hinauf, die in den Innenhof des U-förmigen Gebäudes führten. Der Hof bestand aus einer Grünfläche und einem kleinen Pool in der Mitte. Sowohl das Haus als auch das Grundstück wirkten gepflegt und sauber, und auch das Viertel schien ziemlich
sicher zu sein. Es war auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung zu dem schäbigen Motel. Trotzdem war ich nervös, schließlich
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