Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
Gothic-Sterblichen. Ich konnte mich immer wieder darüber amüsieren, dass sich die echten Vampire so modern wie möglich kleideten, während die Sterblichen, die sie nachahmten, in einer Art Gothic-Zeitschleife hängengeblieben
waren. Vinca begann vor Aufregung beinahe auf und ab zu hüpfen, als wir auf die Bar zugingen. Ich konnte nur inständig hoffen, dass sie nichts tat, was mich in eine peinliche Situation brachte. Der Barkeeper, ein dürrer Typ mit einer karottenroten Haarmähne, warf Vinca einen gierigen Blick zu, während er fragte, was wir wollten. Da überall Sterbliche herumhingen, bestellte ich vorsichtshalber einen Whiskey. Vinca verlangte einen Shirley Temple. Als ich ihr einen entsetzten Blick zuwarf, lächelte sie mich unschuldig an.
»Willst du denn nichts mit etwas mehr Kick?«, wollte ich wissen.
Sie schüttelte den Kopf. »Feen brauchen keinen Alkohol. Unsere Droge heißt Zucker.«
Wir bekamen unsere Getränke und bahnten uns einen Weg durch die verschwitzte Menge bis zu einem leeren Séparée auf der anderen Seite des Raums. Ich merkte, wie einige männliche Vampire meine neue Bekannte beäugten, als handle es sich um ihre Nachspeise. Vinca schien das nicht weiter zu stören. Sie zwinkerte mir bloß zu und lächelte die Kerle liebenswürdig an.
Sobald wir saßen, nahm sie einen großen Schluck von ihrem rosafarbenen Drink, während ich meinen Blick über die Tanzfläche schweifen ließ. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie mich die Fee beobachtete. Nach einer Weile lehnte sie sich über den Tisch.
»Also, Sabina. Nun erzähl mal«, schlug sie mit einem Zwinkern vor.
»Was soll ich erzählen?«
»Wer du so bist und so. Erzähl mir einfach von deinem Leben.«
Sie lehnte sich mit einem freundlichen Lächeln zurück
und wartete, während ich überlegte, wie viel ich ihr sagen konnte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, fing ich an. »Bis vor kurzem habe ich als Auftragskillerin für die Dominae gearbeitet. Aber das ist in die Hose gegangen. Und jetzt bin ich hier.«
»Wow! Eine Auftragskillerin – wie aufregend! Wie viele hast du schon getötet?«
Ich fand es fast schockierend, wie selbstverständlich sie auf meinen Beruf reagierte. »Ich weiß nicht. Keine Ahnung. Viele.«
»Interessant. Und jetzt willst du also Clovis und seiner Gruppe beitreten. Das ist schlau, wenn du dich nicht mehr mit den Dominae verstehst.«
»Ja. Allerdings bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob es auch das Richtige für mich ist«, erwiderte ich in der Hoffnung, sie zum Sprechen zu bringen.
»Warum nicht? Clovis ist wirklich großartig«, versicherte sie mir.
»Wie hast du ihn eigentlich kennengelernt?«
Sie zuckte mit den Achseln und spielte mit dem kleinen Schirm in ihrem Drink. »Das ist eine lange Geschichte. Aber in der Kurzversion läuft es darauf hinaus, dass eine Großstadt wie San Francisco nicht der richtige Ort für eine junge naive Nymphe ist, die frisch aus dem Wald kommt. Ich habe ziemlich harte Zeiten durchlebt und bin schließlich in einem Feen-Pornoring gelandet.«
Ich verschluckte mich beinahe an meinem Whiskey. Vinca klopfte mir auf den Rücken und reichte mir dann eine Serviette, damit ich den verschütteten Whiskey von meiner Hose wischen konnte. Als ich mich wieder im Griff hatte, fragte ich: »Feen-Porno?«
»Ja. Dafür gibt es hier in San Francisco einen riesigen
Schwarzmarkt. Und da ich Nymphe bin und wir für unsere … unsere Fähigkeiten bekannt sind, war ich eine Weile ein ziemlicher Erfolg.« Sie nippte an ihrem Shirley-Temple-Cocktail. »Jedenfalls suchte sich Manroot, mein Manager, irgendwann eine jüngere Muse, und ich blieb ohne Geld und mit einem schlimmen Filzlausbefall zurück. Clovis erfuhr über eine Freundin, die seiner Gruppe beigetreten war, von meinen Schwierigkeiten und bot an, mir wieder auf die Beine zu helfen. Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt.«
»Mann«, staunte ich. »Und wie lange ist das jetzt schon her?«
»Im nächsten Monat werden es zehn Jahre«, erwiderte sie. »Als ich Clovis kennenlernte, hatte ich eine Vision, die mir zeigte, dass ich ihm vertrauen kann. Ich habe keine Ahnung, was mit mir passiert wäre, wenn er mir nicht geholfen hätte. Und ich bin nicht die Einzige, weißt du. Er hat schon Dutzende von Vampiren, Magiern und andere aufgenommen, seitdem ich ihn kenne.«
Ich sagte nichts zu ihrer Vision. »Und was will er für seine Hilfe?« Ich nahm weder Vinca noch Clovis den ganzen Wir-lieben-uns-alle-Mist ab. Clovis
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