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Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild

Titel: Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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kam mir nicht wie der Typ Vampir vor, der anderen selbstlos half. Er verlangte garantiert eine Gegenleistung.
    »Nicht viel. Ich arbeite einige Nächte pro Monat ehrenamtlich im Tempel und kümmere mich dort um die Pflanzen. Und natürlich erlaube ich ihm von Zeit zu Zeit, mein Blut zu trinken.«
    Mir klappte die Kinnlade herunter. »Wie bitte? Er trinkt von dir?«
    Vinca zuckte mit den Achseln. »Klar. Das ist doch nicht viel verlangt.«

    »Ernährt er sich von allen aus seiner Gefolgschaft?«, wollte ich wissen.
    »Ich denke schon. Warum?«
    »Du bist dir doch bewusst, dass ein Vampir nicht nur das Blut trinkt, sondern auch einen Teil des Wesens in sich aufnimmt – oder?«
    »Ja, klar. Und?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie schien nicht zu verstehen, was das bedeutete. »Kapierst du denn nicht? Wenn er sich von seiner ganzen Gefolgschaft ernährt, nimmt er auch einen Teil der Macht in sich auf, die sie besitzt. Er muss unglaublich stark sein.«
    Vinca runzelte die Stirn. »Ich teile meine Kräfte gern mit ihm, so gering sie auch sein mögen. Er braucht außerdem alle Macht und Kraft, die er bekommen kann, um die Unterdrücker zu besiegen.«
    Ich warf einen Blick auf ihren Drink. Sie hatte noch kaum etwas davon getrunken. Ihr Gerede konnte also nicht auf zu viel Zucker zurückzuführen sein. »Unterdrücker?«, hakte ich nach.
    »Du weißt schon – die Dominae, der Rat der Hekate, der Fürstenhof der Seelie, die Liga der Dämonen«, erwiderte sie. Ihre Stimme klang, als hielte sie eine Predigt. »All die Anführer und Institutionen, die seit unzähligen Jahrhunderten den Hass und die Wut zwischen den Geschlechtern schüren.«
    »Ach, die meinst du.« Auf einmal hatte ich das Gefühl, meine neue Mitbewohnerin unterschätzt zu haben. Auf den ersten Blick mochte sie vielleicht flatterhaft und niedlich wirken. Aber wie ich sie nun so reden hörte, wurde mir auf einmal bewusst, dass sie Clovis’ Doktrin offenbar vollkommen in sich aufgenommen hatte.

    »Clovis will uns endlich von der Tyrannei befreien, der wir seit so langer Zeit ausgeliefert sind. Und wenn meine gelegentliche Blutspende ihm dabei hilft, dann bin ich gerne gewillt, mein Blut zu geben.«
    »Verstehe«, sagte ich langsam. »Und wie will er die Geschlechter vereinen? Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor.«
    Sie nippte wieder an ihrem Glas. »Indem er seine Liebesbotschaft unter die Leute bringt.«
    Wieder begann ich innerlich zu würgen. »Und was ist das für eine Botschaft?«
    »Anstatt dir direkt zu antworten, würde ich dich gerne etwas fragen.«
    Ich lehnte mich auf der Bank zurück und breitete die Arme auf der Rückenlehne aus. »Dann mal los.«
    »Bist du es jemals leid, immer nur die Außenseiterin zu sein?«
    Ich richtete mich auf und ließ die Arme wieder sinken. »Wie meinst du das?«
    »Du … Wir … Wir werden doch alle von den Sterblichen als Sagengestalten abgetan. Wir werden gezwungen, uns anzupassen, nicht aufzufallen, uns in dunklen Ecken zu verstecken – und ständig leben wir in der Angst, entdeckt zu werden. In Wahrheit aber sind doch wir die weiterentwickelten Lebewesen. Findest du nicht?«
    Allmählich begann ich zu begreifen. »Verstehe. Dann will Clovis uns also alle im Kampf gegen die Adamiten vereinen.« Anstatt sich mit ihnen zusammenzutun, wie er das behauptet hatte. Interessant.
    »Genau«, erwiderte Vinca. »Natürlich nicht, um die Sterblichen auszulöschen. Clovis möchte nur, dass wir – also die Schattengeschlechter – endlich unseren rechtmäßigen
Platz auf der Erde einnehmen, und der ist an erster Stelle. Als Söhne und Töchter Liliths ist es unser gutes Recht, die Führung zu übernehmen.«
    Ich drehte mein Whiskeyglas zwischen den Händen hin und her, während ich darüber nachdachte, was sie gerade gesagt hatte. Irgendwie ergab das alles einen Sinn, auch wenn ich mir noch immer nicht vorstellen konnte, wie Clovis sein Ziel erreichen wollte.
    »Als Clovis mich angerufen hat, meinte er, dass du dir noch nicht sicher seist, ob du uns beitreten willst oder nicht«, fuhr Vinca fort. »Ich kann dir jedenfalls eines versichern, Sabina: Seine Absichten sind ehrenwert und ohne böse Hintergedanken.«
    »Das glaube ich gern. Aber du kannst dir sicher vorstellen, dass es für mich nicht einfach ist, so schnell von einem Auftraggeber zum anderen zu wechseln. Das will gut durchdacht sein.«
    »Dann überlege dir mal Folgendes«, schlug die Fee vor. Sie beugte sich vor und legte eine ihrer schmalen Hände auf meinen

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