Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
einfach. Deine Familie hat mich beauftragt, zu sehen, wie es dir geht.«
Ich verschränkte die Arme. »Ja, klar. Denkst du echt, das nehme ich dir ab? Dass die Dominae einen Magier damit beauftragen würden, ein Auge auf mich zu haben?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich spreche nicht von den Dominae. Ich spreche von deiner Hekate-Familie.«
Mir blieb einen Moment lang die Luft weg. »Ich habe keine Hekate-Familie.«
»Ganz im Gegenteil. Du hast sogar eine sehr große Hekate-Familie.« Er ließ sich in einem der Sessel nieder und wirkte dabei völlig entspannt, während ich das unangenehme Gefühl hatte, als drehe sich in meinem Inneren ein Schraubstock immer fester zu.
»Na, klar. Und das soll ich dir glauben? Die Hekate-Seite meiner Familie hat mich bereits nach meiner Geburt verstoßen. Also – wer hat dich geschickt?«
Adam beugte sich vor und sah mich aufmerksam an. »Das haben dir die Dominae erzählt?«
Allmählich wurde ich ungeduldig. »Selbst wenn sie mir das nicht erzählt hätten, wäre mir das auch so klar
geworden. Schließlich hat sich niemand von Seiten der Hekate je bei mir gemeldet.«
In meinem Inneren breitete sich Bitterkeit aus wie eine giftige Schlingpflanze. Ich verspürte Wut auf meine Eltern, weil sie es gewagt hatten, die Gesetze zu brechen; Wut auf die Dominae, weil sie mich für das Verhalten meiner Eltern verantwortlich machten; und Wut auf Adam, weil er mich daran erinnerte, dass ich nie etwas anderes gewesen war als ein ungeliebtes rothaariges Stiefkind.
»Man hat dich nicht verstoßen, Sabina. Bis vor kurzem wusste der Rat der Hekate nicht einmal etwas von deiner Existenz.«
»Was? Du machst dich doch über mich lustig. Glaubst du wirklich, dass ich so naiv bin?«, entgegnete ich. »Ich habe keine Ahnung, für wen du arbeitest, aber ich würde dir vorschlagen, es endlich zu verraten. Denn das kaufe ich dir garantiert nicht ab.«
»Ich will dir auch nichts verkaufen. Hör zu, es ist so: Deine Familie hat mir den Auftrag erteilt, mit dir in Kontakt zu treten, weil sie hofft, dass du vielleicht zu einem Treffen bereit wärst. Es ist meine Aufgabe, dir so lange zu folgen, bis du zustimmst.«
»Dann kannst du gleich wieder einpacken, Hämophob!«, fuhr ich ihn an.
Er lächelte über die Beleidigung. »Du wirst feststellen, dass ich sehr geduldig bin, Sabina Kane.«
Ich schnitt eine Grimasse. Das Aussprechen von Namen hatte etwas Beschwörendes, und dieser Kerl hatte mir gerade einen Fehdehandschuh hingeworfen. »Jetzt hör mir mal genau zu, Magier. Ich habe keine Zeit für diesen Scheiß. Verschwinde. Und wenn wir schon mal
dabei sind: Deine bescheuerte Eule kannst du auch gleich zurückpfeifen. Die nervt mich nämlich gewaltig.«
Ich drehte mich zur Tür. Doch der Magier war so schnell, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen gesetzt hatte, ehe er mir eine Hand auf den Arm legte. Ich riss mich los und zeigte ihm meine scharfen Eckzähne. Sogleich wich er mit erhobenen Händen zurück.
»Immer langsam«, beschwichtigte er mich. »Welche Eule meinst du?«
»Also echt«, sagte ich. »Jetzt tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche.«
»Sabina, hör mir zu. Ich weiß nichts von einer Eule.«
»Natürlich tust du das. Es ist ziemlich schwer, eine riesige weiße Eule mit roten Augen zu übersehen.«
Adam wurde sichtlich bleich. »Wann hast du die gesehen? Sag mir genau, wann du die Eule gesehen hast.«
Ich seufzte. Ich war es leid, dieses Spielchen noch länger mitzumachen. »Also gut. In der Nacht, in der ich dich zum ersten Mal im Sepulcher bemerkt habe und dann wieder vor dem Phantasmagoria kurz vor der Auseinandersetzung mit diesen sechs Idioten.«
»Und seitdem? Hast du sie seitdem nochmal gesehen?«, hakte er nach.
»Mann – nein! Was soll das?« Ich betrachtete ihn spöttisch. »Ach, sag bloß, du hast deine Eule verloren. Das tut mir aber leid.«
»Das ist nicht meine Eule.« Er wirkte im Gegensatz zu mir sehr ernst, und plötzlich wurde mir bewusst, dass er vielleicht tatsächlich die Wahrheit sagte.
»Wem gehört sie dann?«
»Das willst du gar nicht wissen.«
»Oh doch, das will ich.«
Adam seufzte. »Du hast doch gesagt, die Eule hätte rote Augen, nicht wahr?« Als ich nickte, fuhr er fort: »Angeblich soll Lilith eine rotäugige Eule haben, die auf den Namen Styx hört. Man sagt, sie sei ihre Spionin.«
Ich starrte ihn einen Moment lang an. Glaubte er wirklich, ich würde ihm einen solchen Mist abnehmen? Als Nächstes würde er
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