Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
Sabina. Deine Loyalität den Dominae gegenüber sollte immer vor deinem Stolz kommen.«
Ich starrte auf den Boden. Warum hatte ich sie überhaupt gefragt? In meinem Inneren brodelte es. Einem anderen Vampir zu gestatten, von einem zu trinken, galt als Zeichen absoluter Unterwerfung. Alle Untergebenen der Dominae mussten das über sich ergehen lassen, um mit dem Eintritt in die Volljährigkeit ihre Treue zu beweisen. Aber ich hatte das bisher noch nie jemandem erlaubt. Es gab sogar Vamps, die es scharf fanden, beim Sex auf diese Weise Blut von einem anderen zu trinken. Doch zu dieser Gruppe gehörte ich garantiert nicht. Für mich bedeutete diese Verletzlichkeit eine Schwäche, die ich auf keinen Fall zeigen wollte.
»Sag es mir lieber gleich, wenn du den Auftrag nicht ausführen kannst.«
Ich zuckte zusammen. Die Worte meiner Großmutter verletzten meinen Stolz, was vermutlich auch ihre Absicht war. »Da gibt es nichts zu sagen. Ich werde den Auftrag ausführen, keine Sorge.«
»Gut. Und ruf mich nicht mehr an, es sei denn, du hast echte Neuigkeiten.«
»Ja, Großmutter«, erwiderte ich.
Ich nahm das Handy vom Ohr, um die Verbindung zu beenden. Die unterschiedlichsten Emotionen tobten in meinem Inneren, und ich wusste nicht mehr, was ich eigentlich fühlen sollte.
»Sabina?«
Ich hielt das Telefon erneut an mein Ohr. »Ja, Domina?«, fragte ich.
»Du wirst mich nicht enttäuschen, mein Kind. Ist das klar?«
Ich biss die Zähne zusammen, als hätte mir jemand den Mund zugenäht. »Glasklar.«
Dann legte ich endgültig auf und machte mich auf die Suche nach den anderen Parkbesuchern, um meinen Frust an ihnen auszuleben.
Als ich eine Stunde später die Wohnungstür aufschloss, raste ein schwarzweißer Pfeil an mir vorbei. Ich drehte mich auf dem Absatz um und sah, wie Giguhl schnurstracks auf die Straße zurannte.
»He! Komm sofort zurück!« Bevor ich den Kater erreichte, jagte Vinca an mir vorbei. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, das Tier am Nacken zu packen, ehe es unter einem Gebüsch verschwand.
»Hab dich!«, rief sie triumphierend. Giguhl zischte und fauchte wütend, während er versuchte, sie mit seinen Krallen zu erwischen.
»Was zum …«, begann ich.
Vinca drückte sich an mir vorbei in die Wohnung, wobei sie dem Kater eine Standpauke hielt. Giguhl sah mich mit entsetztem Blick an, während er mit dem Maul die Worte »Hilf mir!« formte.
Ich folgte den beiden. Insgeheim war ich froh über die Ablenkung. So musste ich wenigstens fürs Erste nicht mehr an das Gespräch mit meiner Großmutter denken. »Was zum Teufel ist hier los?«
Vinca drehte sich zu mir um und sah mich an. Der Kater klemmte unter einem ihrer Arme. »Lass mich los, du
Irre!«, kreischte das Tier und versuchte sich zu befreien. Doch die Fee bedachte ihn nur mit einem scharfen Blick.
»Was hier los ist?«, wiederholte sie. »Ich kann dir gerne sagen, was hier los ist.« Ihr Tonfall klang gelassen, aber ich merkte, dass sich dahinter ein eiserner Wille verbarg. »Hm, wo wollen wir anfangen? Also – als Erstes reißt dein Dämonenkater aus dem Zimmer aus, als ich dir ein paar frische Handtücher hineinlegen wollte. Und dann hat dieser widerwärtige Flohsack es gewagt, den Blumentopf mit meinem Frauenhaar als Katzenklo zu missbrauchen.«
Ich unterdrückte ein Lachen, als ich ihre finstere Miene sah. Sie fuhr fort, Giguhls Sünden an ihren Fingern abzuzählen. »Als Nächstes hat er mein Sofa zum Kratzbaum umfunktioniert. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat er sich als Höhepunkt über mein handbesticktes Kissen hergemacht. Das war ein Familienerbstück!«
Ich zuckte innerlich zusammen, als sie auf die Couchecke zeigte, die Giguhl zerfetzt hatte. »Tut mir echt leid, Vinca. Ich werde für den Schaden aufkommen.«
»Dieser Kater«, erklärte sie und hob ihn hoch, woraufhin er sogleich wieder zu fauchen begann, »ist eine echte Plage. Wenn du hierbleiben willst, musst du ihn in den Käfig stecken, während du nicht da bist. Anders geht das nicht. Ist das klar?«
Ich wollte gerade antworten, als Giguhl sich dem Griff der Fee entwand und ins Haus raste. Ich sah ihm hinterher. Vermutlich war es das Beste, wenn er sich erst einmal versteckte, bis die Stimmung wieder besser war.
»Ehrlich, das tut mir alles sehr leid. Ich glaube, er mag es einfach nicht, so lange im Zimmer eingesperrt zu sein«, sagte ich.
»Es geht nicht nur um deinen Kater«, erwiderte Vinca
und verschränkte die Arme. »Gestern Nacht
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