Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
hast du dich einfach aus dem Staub gemacht, ohne mir ein Wort zu sagen.«
Ich seufzte. Wenn ich nicht vorsichtig war, würde sie mich noch vor die Tür setzen, ehe mein Auftrag bei Clovis erledigt war. »Sorry, Vinca. Es war nur so … Ich wurde von einem Magier aufgehalten, der mich die ganze Zeit verfolgt.«
»Trotzdem …« Ihre Haltung änderte sich. Sie sah mich aus großen Augen an. »Einen Moment mal. Du wirst von einem Magier verfolgt?«
Ich nickte. Ihr blitzschneller Stimmungswandel brachte mich ein wenig durcheinander.
»Ich hatte gerade gestern Nacht eine Vision, in der du zusammen mit einem Magier vorgekommen bist. Er hat schwarze Haare – nicht wahr?«
»Äh, nein. Eher sandblond.«
»Hm. Hatte er vielleicht irgendetwas Schwarzes an?«, wollte sie wissen.
Ich dachte einen Moment lang nach. »Nein, aber seine Stiefel waren schwarz.«
»Das muss es sein … Jedenfalls sagt mir meine Intuition, dass er in deinem Leben noch eine große Rolle spielen wird.« Sie hielt inne, nickte bedächtig und schenkte mir schließlich ein strahlendes Lächeln. »Ich spüre, dass echte Liebesschwingungen in der Luft liegen.«
Na klar, dachte ich. »Hat dich deine Intuition eigentlich jemals im Stich gelassen?«
Sie runzelte die Stirn. »Natürlich nicht. Nymphen sind für ihre prophetischen Fähigkeiten berühmt. Du solltest dich nicht über etwas lustig machen, was du nicht verstehst, Sabina.«
»Will ich auch nicht«, erwiderte ich und entschloss mich, besser das Thema zu wechseln. »Jedenfalls musste ich ein paar Dinge mit ihm klären. Und als ich dann zu unserem Platz zurückkam, warst du verschwunden.«
Vinca lächelte. »Tut mir leid, dass wir einen schlechten Start hatten. Ich hatte bisher noch nie eine Mitbewohnerin. Wollen wir einfach noch einmal von vorn anfangen?«
»Okay«, meinte ich vorsichtig. »Ich muss jetzt allerdings erst mal dringend mit Giguhl sprechen.«
Sie runzelte die Stirn, als sie den Namen des Dämonenkaters hörte. »Gut. Ich mache uns etwas zu trinken, und dann kannst du mir nachher ganz in Ruhe alles über deinen sexy Hexer erzählen.«
Ich antwortete ihr nicht und sie verschwand in der Küche. Einen Moment lang blieb ich stehen und atmete tief durch, bevor ich mich dem wütenden Fellsack in meinem Zimmer widmete. Bestimmt würde er mich in Grund und Boden verfluchen. Allerdings hatte auch ich ein oder zwei Hühnchen mit diesem Kerl zu rupfen.
Ich machte die Tür zu meinem Zimmer auf. Eigentlich hatte ich erwartet, ein Riesenchaos vorzufinden, doch zu meiner Überraschung lag Giguhl gemütlich auf meinem Bett und leckte sich die Pfoten. Ich schloss die Tür hinter mir und näherte mich vorsichtig.
Er hielt mit dem Putzen einen Augenblick lang inne und warf mir einen abfälligen Blick zu. Das war vermutlich das Freundlichste, was ich erwarten konnte.
»Was zum Teufel hast du dir eigentlich dabei gedacht?«, fing ich an.
»Dass ich dringend mal musste und ein gewisser Jemand vergessen hat, mich kurz rauszulassen, ehe er sich wieder für die ganze Nacht verdünnisiert.«
»Mist, du hast Recht. Aber musstest du denn unbedingt in den Blumentopf machen? Hättest du denn nicht ins Badezimmer gehen und die Wanne oder so was benutzen können?«, wollte ich wissen.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Lady. Ich habe einen Moment lang Freiheit gerochen, und diesen Moment musste ich nutzen. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass ich schon seit zwei Tagen in diesem grauenvollen Blumenmausoleum feststecke. Katzen brauchen auch ihren Freiraum, weißt du?«
Ich rollte mit den Augen. »Gehört zu diesem Freiraum auch das Zerfetzen von Möbeln?«
Er zuckte mit den Achseln. »Manchmal.«
»Und was hast du mit diesem Kissen angestellt?«, wollte ich wissen.
»Ich habe auch so meine Bedürfnisse!«
»So was kannst du hier nicht bringen, Giguhl. Sie wirft uns sonst raus!«
Er setzte sich auf die Hinterläufe und starrte mich wütend an. »Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich die ganze Zeit nur in diesem Zimmer herumhocke. Es ist schon schlimm genug, dass ich in diesem Fellkorsett gefangen bin. Aber das hier setzt dem Ganzen wirklich die Krone auf!«, fauchte er empört.
»Apropos Fellkorsett. Wieso hast du dich eigentlich nicht wieder in einen Dämon verwandelt, wenn dir das so viel lieber ist? Das hättest du doch jederzeit gekonnt.«
Er starrte vor sich hin und begann seine Krallen in die Überwurfdecke zu schlagen. »Nicht unbedingt.« Er murmelte etwas, was ich nicht
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