Rote Lilien
du uns das nicht gesagt?«, wollte Harper wissen. »Ich habe es heute Morgen David erzählt«, verteidigte sich Hayley. »Und jetzt erzähle ich es euch. Vor den Kindern wollte ich nichts sagen.«
»Das sollten wir aufnehmen.« Mitch stand auf, um den Kassettenrecorder vom Tisch auf der
Galerie zu holen. »So spektakulär war es nun auch wieder nicht.«
»Nachdem Amelia im letzten Frühjahr gleich zweimal handgreiflich geworden ist, hatten wir doch vereinbart, dass alles aufgenommen wird.« Er kam zurück und stellte den Kassettenrecorder auf den Tisch. »Fang an.«
Hayley hatte Hemmungen, auf Band zu sprechen, doch dann erzählte sie jedes noch so kleine Detail. »Ich höre sie manchmal singen, aber wenn ich dann ins Zimmer gehe und nachsehen will, ist sie meistens schon wieder weg. Aber ich weiß, dass sie da gewesen ist. Manchmal höre ich sie auch im Zimmer der Jungs - in Gavins und Lukes altem Zimmer. Manchmal weint sie. Und einmal dachte ich ...«
»Was?«, half Mitch nach. »Ich dachte, ich hätte sie draußen im Garten gesehen. In der Nacht, in der ihr in die Flitterwochen gefahren seid, nach der Hochzeitsfeier. Ich bin aufgewacht, weil ich wohl etwas mehr Wein getrunken hatte, als ich sollte, und leichte Kopfschmerzen hatte. Daher habe ich ein Aspirin genommen und nach Lily gesehen. Und da war mir, als würde ich draußen jemanden sehen. Das Mondlicht war so hell, dass ich ihr blondes Haar und das weiße Kleid erkennen konnte. Ich hatte den Eindruck, als würde sie auf das Kutscherhaus zugehen. Aber als ich die Tür aufgemacht habe, um auf den Balkon zu gehen und nachzusehen, war sie weg.«
»Hatten wir denn nicht vereinbart, dass wir alles über die Geisterfrau sammeln, nachdem sie Mutter fast in der Badewanne ertränkt hätte?« Harper klang verärgert. »Du hättest nicht eine ganze Woche warten sollen, um uns davon zu erzählen.«
»Harper«, meinte Roz trocken, »es ist eben passiert. Du brauchst nicht noch darauf herumzureiten.«
»Wir hatten eine Vereinbarung.«
»Ich war mir doch nicht sicher.« Hayley warf Harper einen wütenden Blick zu. »Ich bin es immer noch nicht. Nur weil ich dachte, ich hätte eine Frau gesehen, die auf deine Wohnung zuläuft, heißt das noch lange nicht, dass es ein Geist gewesen ist. Es ist sogar viel wahrscheinlicher, dass sie aus Fleisch und Blut gewesen ist. Was hätte ich denn tun sollen, Harper? Dich im Kutscherhaus anrufen und fragen, ob du Damenbesuch hast?«
»Großer Gott, Hayley.«
»Da hast du es.« Sie nickte befriedigt. »Es ist schließlich nicht auszuschließen, dass bei dir im Kutscherhaus eine Frau übernachtet.«
»Okay, okay. Nur zu deiner Information, in der fraglichen Nacht hat keine Frau bei mir übernachtet - jedenfalls keine aus Fleisch und Blut. Das nächste Mal rufst du mich an.«
»Kinder, jetzt beruhigt euch wieder«, sagte Mitch leise tadelnd, während er mit dem Stift auf sein Notizbuch klopfte.
»Hayley, hast du noch etwas gesehen?«
»Es hat doch nur ein paar Sekunden gedauert. Ich stand am Fenster und hoffte, dass das Aspirin endlich wirkt, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkt habe. Und dann habe ich eine Frau mit blondem oder sehr hellem Haar gesehen, die etwas Weißes anhatte. Mein erster Gedanke war, dass Harper jemanden aufgerissen hat.«
»O Mann«, murmelte Harper. »Dann dachte ich, es könnte auch Amelia gewesen sein, aber als ich auf den Balkon gegangen bin, um sie besser zu sehen, war sie verschwunden. Ich erwähne das auch nur, weil ich sie - falls sie es tatsächlich war, wovon ich aber ausgehe - zweimal in einer Woche gesehen habe. Für mich ist das sehr oft.«
»Du warst unter der Woche die einzige Frau im Haus hier«, hob Logan hervor. »Frauen hat sie sich bis jetzt immer häufiger gezeigt.«
»Das klingt logisch.« Und es sorgte dafür, dass es Hayley wieder besser ging. »Außerdem war es in der Nacht nach unserer Hochzeit«, warf Roz ein. »Sie war mit Sicherheit eingeschnappt.«
»Das ist jetzt das zweite Mal, dass jemand gesehen hat, wie sie in Richtung
Kutscherhaus gegangen ist. Es muss was zu bedeuten haben«, sagte Mitch zu Harper. »Zu mir hat Amelia jedenfalls noch nichts gesagt.«
»Wir suchen weiter. Da wir annehmen, dass sie irgendwo in der Nähe gelebt hat, können wir wohl davon ausgehen, dass Reginald sie in einem seiner Häuser untergebracht hatte. In diese Richtung recherchiere ich- noch«, fuhr Mitch fort. »Wenn wir ihren Namen wüssten, ihren vollständigen
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