Rote Lilien
Küche aus. Sie ist vielleicht verrückt, aber es gibt mit Sicherheit einen Grund dafür. Für alles, was sie getan hat, gibt es einen handfesten Grund. Hast du kürzlich etwas dort hingebracht? Etwas Neues?«
»Ähm, nein.« Doch Mitchs Frage ließ ihn stutzen.
Er vergaß für einen Moment seine Wut und überlegte. »Pflanzen. Ich stelle immer wieder andere Pflanzen hin, aber das mache ich schon seit Jahren. Und das Übliche - Lebensmittel, CDs, Kleidung. Nichts Ungewöhnliches.«
»Besuch?«
»Wie bitte?«
»War jemand bei dir, der vorher noch nie im Kutscherhaus gewesen ist? Eine Frau vielleicht?«
»Nein.«
»Oh, wie tragisch.« David legte Harper den Arm um die Schultern. »Liegen dir die Frauen nicht mehr zu Füßen?«
»Ich hab's noch nicht verlernt, wenn du das meinst. In letzter Zeit hatte ich nur viel zu tun.«
»Und wo warst du, als es passiert ist?«
»Ich hab mir oben im Schlafzimmer ein Spiel angesehen und gelesen. Irgendwann bin ich eingenickt, und als es mit dem Krach in der Küche losging, bin ich aufgewacht.« Harper hörte Lilys fröhliches Kreischen und zuckte zusammen. »Verdammt, da sind sie schon.
Mitch, räum die Fotos weg. Versteck sie, bis ...« Er brach ab und fluchte innerlich, weil er nicht schnell genug reagiert hatte. Lily kam noch vor Hayley ins Zimmer. Freudestrahlend rannte sie auf ihn zu und streckte die Arme nach ihm aus. »Sie hat dich gehört«, sagte Hayley, als er Lily auf den Arm nahm. »Und schon hat sie angefangen zu strahlen.«
»Die Frauen liegen ihm immer noch zu Füßen«, bemerkte David trocken. »Aber sie werden immer kleiner.«
»So fängt sie den Tag am liebsten an«, sagte Hayley. Sie ging zum Kühlschrank, um Saft herauszuholen, und als sie sich mit der Flasche und Lilys Schnabeltasse in der Hand umdrehte, sah sie die Fotos. »Was ist das denn?«
»Ach, nichts. Nur ein kleines nächtliches Abenteuer.«
»Um Himmels willen, was für ein Chaos! Hast du gefeiert und uns nicht zur Party eingeladen?« Als sie sich die Fotos genauer ansah, wurde sie blass. »Oh. Amelia. Ist alles in Ordnung mit dir? Hat sie dir was getan?« Sie drehte sich um und ließ Lilys Tasse fallen. »Harper, hat sie dir was getan?«
»Nein.« Er nahm ihre Hand, die über seine Wange fuhr. »Sie hat nur das Geschirr erwischt.« David bückte sich, um die Plastiktasse aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, zog er vielsagend die Augenbrauhen hoch, sah Mitch an und murmelte: »Aha.«
»Aber sieh dir das doch an.« Sie griff sich ein Foto. »Deine schöne Küche. Was ist mit ihr los? Warum ist sie nur so verdammt gemein?«
»Wahrscheinlich geht es ihr auf die Nerven, tot zu sein. Ich glaube, Lily möchte ihren Saft haben.«
»Schon gut, schon gut. Wenn es das nicht ist, ist es irgendetwas anderes - ich rede von Amelia, nicht von Lily. So langsam habe ich es satt.« Sie goss Saft in die Tasse, schraubte den Deckel auf und drückte sie Lily in die Hand. »Da hast du deinen Saft, Lily. Und was sollen wir jetzt dagegen tun?« Sie sah Mitch an. »Unbeteiligter Zuschauer«, erinnerte er sie, während er abwehrend die Hände hob. »Das sind wir doch alle, oder nicht? Aber für sie hat das offenbar nichts zu bedeuten. So ein Miststück.« Sie setzte sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Geht's dir jetzt besser?«, fragte David, während er ihr Kaffee eingoss.
»Frag mich in fünf Minuten noch mal.«
»Es war doch nur Geschirr.« Harper setzte Lily in ihren Hochstuhl. »Und wie David meinte, hässliches noch dazu.«
Hayley zwang sich zu einem Lächeln. »So hässlich war es nun auch wieder nicht. Es tut mir so Leid, Harper.« Sie berührte seine Hand. »Es tut mir wirklich Leid.«
»Was tut dir Leid?«, fragte Roz, als sie hereinkam. »Und hiermit wäre die zweite Runde eingeläutet.« David deutete auf die Kaffeekanne. »Ich glaube, ich mache euch jetzt ein paar Crees.«
Hayley konnte sich einfach nicht konzentrieren. Wie eine Marionette bediente sie die Kunden und gab die Einkäufe in die Kasse ein. Als sie dann so weit war, dass sie glaubte, nicht noch ein albernes Gespräch mit jemandem durchstehen zu können, ging sie in Stellas Büro und bat sie um Hilfe. »Gib mir irgendwas zu tun, bei dem ich mit den Händen arbeiten kann. Etwas, bei dem ich mich anstrengen und schwitzen muss. Bitte. An der Verkaufstheke halte ich es nicht mehr aus. Ich merke, wie ich zickig werde, und ich möchte auf keinen Fall, dass die Kunden darunter zu leiden haben.«
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