Rote Lilien
Musikwürfel vor sich hin gedudelt hatte. Nie wieder würde er die Musik aus diesem verdammten Spielzeug hören können, ohne an diesen Kuss zu denken. Was zum Teufel sollte er jetzt tun? Mit ihr essen gehen? Er hatte kein Problem damit, mit einer Frau essen zu gehen. Das war etwas völlig Normales für ihn, aber an dieser Situation war nichts mehr normal, nachdem er sich die ganze Zeit über eingeredet hatte, dass Hayley keinerlei Interesse an ihm hatte. Und dass er sein Interesse an ihr gefälligst zu unterdrücken hatte. Außerdem arbeiteten sie zusammen. Und sie wohnte im Haupthaus bei seiner Mutter. An Lily musste er natürlich auch denken. Es zerriss ihm das Herz, als er daran dachte, wie sie nach ihm geschrien hatte, während Hayley sie hinübergetragen hatte.
Was, wenn er und Hayley zusammenkamen, und es ging schief? Würde das auch Lily beeinflussen? Er musste dafür sorgen, dass es nicht so weit kam, das war alles.
Er musste es langsam angehen, musste sich und ihr Zeit lassen. Was den Plan zunichte machte, der ihm schon die ganze Zeit im Hinterkopf herumgespukt war, denn eigentlich hatte er nach Einbruch der Dunkelheit zu Hayley hinübergehen und der Natur ihren Lauf lassen wollen. Wie immer räumte er die Küche auf, nachdem er gegessen hatte, und ging dann nach oben ins Dachgeschoss, wo sein Schlafzimmer, ein Bad und ein kleines Zimmer, das er als Büro nutzte, lagen.
Eine Stunde lang erledigte er Büroarbeiten, und jedes Mal, wenn seine Gedanken zu Hayley wanderten, zwang er sich dazu, sich wieder auf den Papierkram zu konzentrieren. Dann schaltete er den Sportkanal im Fernseher ein und verbrachte den Abend mit einer seiner Lieblingsbeschäftigungen - Lesen zwischen den Innings. Irgendwann im achten Inning, als Boston zwei Punkte zurücklag und die Yankees ihren Läufer auf dem zweiten Base hatten, nickte er ein. Er träumte, dass er und Hayley sich in Fenway Park liebten und sich nackt auf dem Gras des Innenfelds wälzten, während um sie herum das Spiel weiterging. Aus irgendeinem Grund wusste er, dass der Schlagmann drei Balls und zwei Strikes gezählt hatte, sogar dann noch, als Hayley ihre langen Beine um ihn schlang und er in sie eindrang. In die Hitze, in diese sanften blauen Augen. Ein lauter Krach weckte ihn, und der Teil von ihm, der noch träumte, hörte das Geräusch eines Balls auf einem Baseballschläger. Noch während er sich aufsetzte und den Kopf schüttelte, um vollends wach zu werden, dachte er, dass es ein Homerun gewesen sein musste.
Großer Gott! Er rieb sich das Gesicht. Was für ein seltsamer Traum, obwohl zwei seiner Lieblingsaktivitäten darin vorgekommen waren. Sport und Sex. Über sich selbst schmunzelnd, wollte er das Buch beiseite schieben. Doch der Krach hielt an. Er kam von unten, klang wie Schüsse aus einer Pistole und war mit Sicherheit kein Traum. Im Bruchteil einer Sekunde war er aufgesprungen. Er packte den Baseballschläger, den er zu seinem zwölften Geburtstag bekommen hatte, und rannte aus dem Zimmer. Zuerst dachte er, Bryce Clerk, der Exmann seiner Mutter, wäre aus dem Gefängnis entlassen worden und wollte jetzt noch mehr ßrger machen. Aber das würde ihm noch Leid tun, dachte Harper, während er den Baseballschläger umklammert hielt. Adrenalin schoss ihm ins Blut, während er auf das Krachen und Scheppern zurannte. Als er das Licht einschaltete, sah er gerade noch, wie ein Teller auf ihn zuflog. Instinktiv riss er den Schläger hoch und schlug zu. Der Teller zerbrach in tausend Stücke.
Dann war alles still. Die Küche, die er blitzblank geputzt hatte, bevor er nach oben gegangen war, sah aus, als wäre sie von einer Horde besonders zerstörungswütiger Vandalen heimgesucht worden. Der Boden war mit zerbrochenem Geschirr, Bierlachen und den Scherben von Bierflaschen übersät. Die Tür des Kühlschranks stand offen, der Inhalt war überall in der Küche verstreut.
Arbeitsplatte und Wände waren mit einer zähflüssigen Masse verdreckt, die wie eine Mischung aus Ketschup und Senf aussah. »Verdammt!« Er fuhr sich durchs Haar. »Musste das jetzt sein?« Sie hatte Ketschup benutzt, zumindest hoffte er, dass es harmloses Ketschup war, nicht Blut, um eine Nachricht für ihn an die Wand zu schreiben.
Ich werde nicht ruhen
Er starrte auf das Chaos in der Küche.
»Da bist du nicht die Einzige.«
6. Kapitel
Mitch rückte seine Brille zurecht und sah sich die Fotos genauer an. Harper ist gründlich gewesen, dachte er, er hat Bilder aus jedem
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