Rote Lilien
sie mit beiden Händen warm. »Das wäre mit Sicherheit in die Familiengeschichte eingegangen. Eine Verrückte greift einen Harper an oder einen Bediensteten. Es wäre irgendwo aufgeschrieben worden, und man hätte sie weggebracht, in ein Irrenhaus oder ins Zuchthaus.«
»Vielleicht. Was ist mit der Sichel und dem Seil? Das soll doch bedeuten, ich werde jemanden fesseln und ihn dann in Stücke schneiden.«
»In Harper House ist noch niemand in Stücke geschnitten worden.« Er stand auf und schloss die Balkontüren. »Soweit du weißt.«
»Okay, soweit ich weiß.« Er setzte sich wieder aufs Bett. »Wir setzen Mitch darauf an. Er kann sich vielleicht das Strafregister ansehen. Immerhin ist es eine Spur.«
»ßußerlich bist du immer so ruhig«, sagte sie nach einer Weile. »Aber das täuscht, denn darunter brodelt ein kleiner Vulkan. Ich kenne dich doch nicht so gut, wie ich dachte.«
»Womit wir wieder bei dir wären.« Sie seufzte und starrte auf ihre Hände, während sie Seite an Seite auf ihrem Bett saßen. »Ich kann nicht einfach so mit dir schlafen. Ich dachte, ich könnte es - zuerst. Dann dachte ich, ich darf es nicht. Wenn ich es tue, bekommt er ßrger. Sie wird ihm wehtun.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Du hast Recht gehabt.« Er lächelte nur. »Ach nein.« Sie schlug ihm auf den Arm.
»Du hältst dich wohl für sehr klug.«
»Doch nur, weil ich das auch bin. Frag meine Mutter - aber nur, wenn sie gut gelaunt ist.«
»Ich fühle mich in deiner Nähe wohl.« Sie musterte ihn genau und versuchte, all das zu verarbeiten, was sie gerade über ihn herausfand. »Das gefällt mir. Ich meine, es gefällt mir herauszufinden, was unter deinem ßußeren steckt, das im ßbrigen eine Wohltat fürs Auge ist.«
»Bereitest du einen tiefen Fall für mich vor, oder warum sagst du so viele nette Sachen zu mir?«
»Nein, darum geht es nicht ...« Sie schüttelte den Kopf und stand auf, um im Zimmer herumzugehen. »Ich habe in letzter Zeit so viele Gefühle unterdrückt - und Bedürfnisse. Es wäre so einfach, das alles auf dich loszulassen.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich dagegen gewehrt habe.«
»Ich wusste doch nicht, dass du so für mich empfindest. Dass ich es jetzt weiß, macht alles nur noch perfekter. Ich bin noch nie in meinem Leben so geküsst worden, obwohl ich schon mit einigen Männern zusammen war, die sehr gut küssen konnten. Wenn Amelia nicht gekommen wäre, würden wir jetzt vermutlich miteinander im Bett liegen.«
»Das macht mir meine Ururgroßmutter nicht unbedingt sympathischer.«
»Mir ist sie auch nicht gerade sympathisch. Aber dieser Zwischenfall hat mir Zeit zum Nachdenken gegeben.« Sie ermahnte sich, vernünftig zu sein - vernünftig genug für sie beide -, und setzte sich auf die Armlehne eines Sessels. »Ich bin nicht gerade schüchtern, wenn es um Sex geht, und ich glaube, wenn du und ich woanders gewesen wären, in einer anderen Situation, könnten wir ohne diese vielen Komplikationen ein Paar sein.«
»Warum denken nur alle, dass es für ein Paar nicht kompliziert sein sollte?«
Sie runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. »Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht.«
»Für mich sieht das so aus«, sagte er, während er auf sie zuging. »Es gibt Affären - und die sind von Natur aus unkompliziert. Daran gibt es nichts auszusetzen. Aber wenn man ein Paar ist, wenn man sich liebt und vorhat, mehr als nur ein oder zwei Nächte lang zusammenzubleiben, sollte das Gewicht haben. Und dann gibt es auch Komplikationen.«
»Du hast Recht, das muss ich zugeben. Aber es gibt eine Menge zu bedenken, bevor wir so einen Schritt unternehmen. Ich glaube, wir müssen uns sicher sein, dass es das Richtige für uns beide ist, bevor wir diesen Schritt tun. Es gibt einiges, was wir nicht voneinander wissen, und vielleicht sollten wir es uns vorher erzählen.«
»Wie wär-s mit Abendessen?« Sie starrte ihn an. »Hast du Hunger?«
»Nicht jetzt, Hayley. Ich will mich mit dir verabreden. Wir fahren in die Stadt, essen zusammen, hören Musik.« Ihre Schultern entspannten sich wieder, und der dicke Kloß in ihrem Magen verschwand. »Das wäre schön.«
»Morgen?«, fragte er, als er sie vom Bett zog. »Wenn deine Mutter oder Stella auf Lily aufpassen kann, ist morgen in Ordnung. Aber wir müssen ihnen sagen, was passiert ist. Dass Amelia hier war.«
»Morgen früh.«
»Es ist ein wenig peinlich, weil wir dann ja erklären müssen,
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