Rote Sonne über Darkover - 5
Rolle? Ich war für niemanden von Nutzen, auch mit all meinem schönen Singen nicht, und doch hatten sie mich freundlich behandelt. Meine Mutter war als kleines Kind zusammen mit Mirhana Elhalyn aufgezogen worden, und sie hatten sich einen Freundschaftseid geschworen.
Und jetzt bot Elvirias Pflegeschwester mir ihren Sohn Cerdric zur Heirat an.
Es war alles ohne mein Wissen abgesprochen worden. Meine Mutter zweifelte nicht an meiner Zustimmung, und so kam Dom Cerdric vor einem Monat und vierzehn Tagen nach Scathfell, und zehn Tage später wurden wir, ohne verlobt gewesen zu sein, di catenas verheiratet. Wir reisten augenblicklich ab und überquerten auf unserem Weg zum Lanart-Besitz in den Kilghard-Bergen die Hellers. Alles geschah merkwürdig hastig, als habe meine Mutter Angst gehabt, noch einen weiteren Tag zu warten. Ich zweifelte nicht daran, daß sie Angst hatte, und es überraschte mich nur, daß Dom Cerdric, als er mich sah, nicht auf dem Absatz kehrtmachte und auf Nimmerwiedersehen zurück auf seinen Besitz im Tiefland eilte.
Er kennt mich nicht gut genug … , dachte ich. Ich wußte aber daß er Laran besaß und daß es gut entwickelt war. Mutter hatte es mir erzählt. Das bedeutete, er konnte in mir lesen wie in einem Buch, wann immer er Lust dazu hatte. Um so dümmer von ihm, daß er mich immer noch haben wollte. Oder? Was waren seine Motive, was war sein eigentliches Ziel? Warum hatte er überhaupt eingewilligt, mich zu heiraten? Auch wenn er kein Erbe, sondern ein zweiter Sohn war, hätte er bessere Aussichten gehabt. Tatsächlich wäre jede andere Wahl, ein wildes Banshee eingeschlossen, eine bessere Aussicht gewesen.
Etwas, das ich nicht bin, ist dumm. Ich wußte, da war etwas, das ich noch nicht durchschaut hatte. Mindestens einmal in diesen Tagen, die ich mit ihm auf der Straße verbrachte, las ich in dem ruhigen Blick seiner grauen Augen etwas anderes als kühle, feierliche Höflichkeit.
Als Nichttelepathin hatte ich gelernt, auf diese äußeren körperlichen Zeichen schärfer zu achten, als wenn ich Laran gehabt hätte. Das war alles, was ich in dem Versuch, mich zurechtzufinden, auf der Reise tun konnte. Es waren Tage des Schweigens, wir waren meiner Meinung nach länger unterwegs als notwendig, wir machten endlose Ruhepausen, in denen ich, im Gebirge aufgewachsen, eine unerträgliche Zeitvergeudung sah. Was machten diese Leute nur, wenn sie es eilig hatten?
Und noch etwas. Er war mein Gatte, aber er hatte mich noch nicht genommen, wie es ein Gatte sollte, nicht einmal. Darüber wußte ich gut Bescheid, hatte ich doch gesehen, wie sich die Tiere im Frühling paarten. Ich war kein ahnungsloser Simpel. Doch was man noch am ehesten das Verhalten von Liebenden hätte nennen können, war nichts als eine Berührung meiner Hand mit seinen kühlen Lippen und ein ebenso kühler Kuß auf die Wange gleich nach der Heiratszeremonie gewesen - ein Hohn, den ich abscheulich fand.
Und das alles ließ ich mir gefallen, stumm, gehorsam. Natürlich wurde das von mir erwartet, etwas anderes war gar nicht denkbar.
Doch es war nicht das, was ich von mir erwartete, denn ich kannte mich, wie mich kein anderer kennen konnte, nicht einmal Menschen, die mich mit Laran zu ergründen suchten.
Calva, du fettes Schwein, schalt ich mich, Zandrus Höllen, warum hast du eingewilligt? Du bist wirklich verrückt! Aber war die Verrücktheit nicht noch größer, wenn ich meinte, ich hätte mich anders verhalten sollen? Was wollte ich eigentlich? Was erwartete ich? Schließlich hatte ich mehr bekommen, als ich in meiner Lage je ein Recht gehabt hatte zu erhoffen. Der Herr des Lichts hatte mich wahrlich gesegnet!
Trotzdem konnte ich nicht umhin, zu den spottenden vier Monden emporzublicken und zu denken: Was habe ich getan? Wessen Fehler ist es überhaupt? Oder vielleicht ist alles in bester Ordnung, und ich allein bin verrückter als ein Kyorebni?
Ich wurde aus meinen halb delirierenden Gedanken gerissen. Wir näherten uns in der schweren violetten Abenddämmerung dem Lanart-Besitz. Hier in den Kilghard-Bergen wehte ein kalter Wind und erinnerte mich an mein Zuhause. Ich lebte in der frischen Luft auf. Die Großartigkeit der Hellers fehlte jedoch; sie wird immer in meinen Gedanken sein.
Am Tor erwarteten uns mehrere von Dom Cerdrics Männern - ich sollte vielmehr sagen, von den Männern meines Gatten. Der Hof war leer, und nichts war zu hören als die Hufe der Pferde und Hirschponys auf dem Kopfsteinpflaster. Die Tiere
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