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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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die Häuser waren groß, die Mauern hoch.
    Die Agenten, die Shahid Latif Osman observierten, hatten in einem unbenutzten Zimmer im obersten Stockwerk von Haus Nummer zwölf Posten bezogen, mit Einverständnis des Hausbesitzers, der meist abwesend war. Es war kein idealer Aussichtspunkt, denn Osmans Haus stand schräg gegenüber, so dass sie nur das Tor, einen Teil der Einfahrt, die Garage, ein Stück Rasen und ein Stück der Haustür erkennen konnten. Doch etwas Besseres stand nicht zur Verfügung.
    Um kurz nach neun sahen sie den weißen Toyota Yaris vor dem Tor anhalten. Der Agent änderte seine Position und stellte das starke Fernglas auf dem Stativ ein.
    Er beobachtete, wie Becker ausstieg und auf das Tor zuging, vor dem die Sprechanlage auf einen glänzenden Pfosten montiert war. Becker drückte auf einen Knopf. Wartete.
    Dann bückte er sich und sagte etwas in die Sprechanlage, richtete sich wieder auf und schaute durch das Tor.
    Der Agent schwenkte das Fernglas auf die Eingangstür. Die Sekunden verrannen. Dann wurde geöffnet. Shahid Latif Osman trat in seinem Moslemgewand heraus und ging auf das Tor zu. Stolz und aufrecht.
    Er sagte etwas zu Becker, blieb aber hinter dem Tor stehen und öffnete nicht.
    Becker antwortete.
    Osman schüttelte den Kopf.
    Becker sagte wieder etwas.
    Osman erwiderte, mit aggressiver Körpersprache.
    Becker sprach erneut.
    Osman schickte ihn mit einer Armbewegung weg.
    |323| Becker sagte noch etwas.
    Osman machte kehrt und ging zum Haus zurück. Auf der Schwelle wandte er sich noch einmal um, rief etwas, trat ins Haus und schloss die Tür.
    Der Agent richtete das Fernglas wieder auf Becker. Er blieb noch einen Augenblick stehen, dann ging er zu seinem Auto.
    Der Agent hätte schwören können, dass er lächelte.
     
    Um 14:03 Uhr öffnete die Durchsuchungseinheit die Tür zu Milla Strachans Wohnung. Das Team war geschickt und erfahren. Erst fotografierten sie jeden Raum mit einer Digitalkamera, dann machten sie Aufnahmen von jedem Schrank und jeder Schublade. Erst dann begannen sie mit der Suche.
    Derjenige, der die Tagebücher fand, rief Quinn an. »Hier sind vierundzwanzig Stück. Sie reichen zurück bis 1986, das wird lange dauern.«
    »Fotografieren Sie nur das letzte … die Seiten der letzten sechs Monate. Die anderen können wir eines nach dem anderen fotokopieren. Ab morgen.«
    Erst um 15:32 Uhr, als sie mit der Hausdurchsuchung fertig waren und jeden Raum wieder genauso hergerichtet hatten wie auf den Fotos, kamen die Techniker, um die Wanzen anzubringen.
     
    In Bo-Woodstock, Chamberlainstraat 15, trafen nach und nach die Mitglieder des Höchsten Rates ein.
    Die Agentin unterrichtete Quinn unverzüglich und überprüfte die Funktion der Ausrüstung.
    Ohne sich große Hoffnungen zu machen, setzte sie sich an das Empfangsgerät für das Betonmikrofon im Fuß der Satellitenschüssel.
    Doch zu ihrer Überraschung hörte sie um 15:59 Uhr die empörte Stimme Shahid Latif Osmans: »Er hat behauptet, Shabangu hätte ihm gesagt, ich habe sein Geld. Ich oder Tweetybird.«
    |324| »Ruhig, Shahid, denk an dein Herz. Hast du dir das Kennzeichen seines Autos notiert?«, fragte der Scheich, Suleiman Dolly.
    »Habe ich.«
    »Komm, lass uns unten weiterreden.«
     
    Um kurz nach sechs rief er an.
    Sie saß vor ihrem Laptop im Schlafzimmer, um an ihrem Buch zu arbeiten.
    Sie erkannte die Nummer nicht. »Milla«, meldete sie sich zögernd.
    »Die Pommes frites im
Fisherman’s Choice
sind immer goldbraun, knusprig, heiß und frisch, der Stockfisch innen ganz zart. Und es ist ein wunderbarer Abend.«
    »Was versteht ein Mann aus dem Vrystaat von zartem Stockfisch?«
    »Rein gar nichts, aber ich habe gehofft, dass du der Poesie meiner Worte nicht widerstehen könntest.«
    »Klingt jedenfalls sehr evokativ …«
    »Wir Männer aus dem Vrystaat kennen solche Fremdwörter nicht. Heißt das ›ja‹?«
    »Wo ist das
Fisherman’s Choice

     
    Quinn hatte die abfotografierten Seiten aus Milla Strachans Tagebuch vor sich auf dem Bildschirm.
    Er begann mit den Einträgen der letzten Woche.
    Sie hatte Becker am Freitagabend zum ersten Mal getroffen, bei einem Tanzabend.
    Beckers Arrangement.
    Quinn las von Millas Gewissensbissen und ihrer zunehmenden Faszination. Er ging zurück bis ganz an den Anfang und las die Einträge, die sie vor sechs Monaten geschrieben hatte. Damals war sie noch Hausfrau. Einsam. Orientierungslos.
    Er folgte ihrer Wortspur bis zu ihrer Flucht und ihrer Anstellung bei der

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