Rote Spur
klappte den Ordner auf, nahm ein Dokument heraus und schob es Joubert über den Tisch hinweg zu. »Die IMEI-Nummer habe ich auch gefunden, sie stand oben drüber. Ich habe neben jeder Nummer notiert, wen er angerufen hat.«
Joubert warf einen Blick auf die Unterlagen. In fein säuberlicher Handschrift hatte sie mit blauer Tinte neben jede Nummer einen Namen geschrieben. Es musste sie Stunden gekostet haben.
Als könne Tanja Flint seine Gedanken lesen, fügte sie hinzu: »Das war meine Beschäftigung im Dezember. Ich konnte einfach nicht untätig herumsitzen und abwarten. Hier, ich habe auch eine grafische Übersicht angelegt, auf der Sie genau erkennen |486| können, wie oft er wen angerufen hat. Die meisten Anrufe galten mir. Und seinen Fahrern. Daran ist nichts Ungewöhnliches.«
Er war beeindruckt und erleichtert, denn das würde ihm Zeit und ihr Geld sparen. »Das ist sehr praktisch«, bemerkte er.
»Ich musste es tun. Ich habe … nach irgendeinem Hinweis gesucht. Sie können alle Unterlagen mitnehmen, nur hätte ich sie gerne zurück, wenn …«
Den Augenblick der Stille füllte er mit einem raschen »natürlich«.
»Dieser Ordner enthält die Unterlagen über unsere Finanzen. Wir haben mit Moneydance gearbeitet …«
»Moneydance?«
»Ein Programm für private Finanzverwaltung. Man kann die Kontoauszüge über das Internet abholen und damit alles Mögliche anstellen: Grafiken anlegen, sich an fällige Rechnungen erinnern lassen, einen Haushaltsplan ausarbeiten. Man erhält eine gute Übersicht.«
»Ich verstehe.«
Sie hielt ihm mehrere aneinandergetackerte Seiten hin. »Das hier sind unsere Ausgaben, nach Datum geordnet, für das ganze letzte Jahr bis November. Ich habe sie in Kategorien eingeteilt, allerdings hat man mit der amerikanischen Software das Problem, dass die Kategorien manchmal … Sie wissen schon … Die Übersicht umfasst alle unsere Konten, wir hatten beide unser eigenes Girokonto und unsere eigene Kreditkarte, aber man kann alles mit einbeziehen.«
»Das ist eine große Hilfe …« Joubert studierte flüchtig die Unterlagen. »Ist das eine Zusammenfassung all Ihrer Konten?«
»Ja.«
»Könnten Sie mir Danies Auszüge gesondert geben?«
»Natürlich. Ich … Das dauert einen Moment. Wollen Sie auch Grafiken?«
»Nein, danke, so ist es perfekt. Ich brauche nur Danies Kontoauszüge getrennt von Ihren.«
|487| »Okay.« Sie stand auf und setzte sich ans kurze Ende des Tisches an den Laptop. »Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie nichts Ungewöhnliches finden werden.«
»Ach ja?«
»Ich meine, es gibt keine Ausgaben, von denen ich nichts gewusst hätte. Und selbst wenn es sie gegeben hätte, wären sie mir aufgefallen, denn alle zwei Wochen habe ich anhand der Kontoauszüge unser Budget durchgerechnet. Das musste sein, denn durch das Geschäft … Es war sehr schwierig. Wir waren vollkommen abhängig von Danies Gehalt. Das meiste Geld gab er für Benzin aus, aber das bezahlte er mit seiner Tankkarte von ABC. Ich habe meistens die Einkäufe erledigt.«
Sie arbeitete mit der Maus und stand schließlich auf. »Ich muss nur mal an den Drucker im Schlafzimmer.«
»Tut mir leid wegen der Umstände.«
»Das macht doch nichts.«
Sie verschwand im Flur.
Er saß mit den Kontoübersichten in der Hand da und starrte darauf. Diese große Mühe, die sie sich gegeben hatte, diese Akribie, die Tabellen, die Recherche der Telefonnummern.
Ich meine, es gibt keine Ausgaben, von denen ich nichts gewusst hätte.
Das bedeutete, dass auch sie schon die Möglichkeit erwogen hatte, ihr Mann könne aus eigenem Antrieb verschwunden sein.
Was die Frage aufwarf: warum?
Was verschwieg sie ihm?
87
Der dritte Ordner enthielt weitere Fotos von Danie und eine Liste mit Kontaktpersonen, die Joubert »möglicherweise brauchen würde«, wie Tanja meinte. »Seine Kollegen, seine Mutter, unsere Freunde, der Ermittler, alle, die mir eingefallen sind. Und hier ist der Flyer, den ich vor dem Sportstudio unter alle Scheibenwischer gesteckt habe.«
Ein DIN-A4-Farbausdruck mit einem großen Foto von Danie, |488| demselben Bild, das sie ihm am Morgen gezeigt hatte, mit der Aufschrift:
Haben Sie Danie gesehen?
Darunter eine kurze Information über sein Verschwinden am 25. November und ihre Handynummer.
»Hat niemand angerufen?«
»Doch, mehrere Leute. Aber niemand hat etwas gesehen.«
Er nickte, denn er wusste, was für seltsame Anrufe sie erhalten haben musste. Dann erzählte er ihr von der Suche nach
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