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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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rief nach Großmutter, die im Erdgeschoß schlief.
    » Glouma. Glouma.« Er klang wie eine junge Ziege. Er rief so lange, bis er nicht mehr konnte. »Glouma tömmen.«
Und dann konnte er nicht mehr länger an sich halten; die warme Flüssigkeit breitete sich über seine Beine und das Laken unter ihm aus, um dann jedoch rasch abzukühlen. Sein Nachthemd klebte an seiner Haut. Er wußte nicht, was er tun sollte. Schließlich holte er tief Luft und drehte sich herum, so daß er die Tür im Auge hatte. Als ihm darauf nichts passierte, schwang er seine Beine aus dem Bett und stand auf. Es war vollkommen dunkel. Das Nachthemd klebte an seinen Beinen, sein Gesicht brannte. Er rannte auf die Tür zu. Die Klinke traf ihn genau über dem linken Auge, so daß er für einen Moment zu Boden ging. Dann sprang er auf und rannte die Treppe hinunter. Seine Finger glitten quietschend über das Geländer. Er öffnete die Tür zu Großmutters Zimmer, kroch durch das Dunkel auf ihr Bett zu und unter die Decke und kuschelte sich eng an ihren warmen Körper.
Jetzt erst schreckte Großmutter aus dem Schlaf hoch. Ihr Rücken versteifte sich an seiner Wange, und aufgebracht zischte sie los: »Scho ein...« Leises Klappern auf dem Nachttisch, als sie nach ihrem Gebiß tastete. Ein kurzes schmatzendes Schnalzen, als sie es in den Mund schob. »So ein ekelhaftes, dreckiges Kind wie dich habe ich doch noch nie gesehen. Los, raus aus meinem Bett!«
Sie knipste die Nachttischlampe an. Bibbernd stand Francis neben dem Bett. Als sie ihm mit dem Daumen über die Stirn wischte, hatte er sich von seiner blutenden Wunde rot gefärbt.
»Hast du etwas kaputt gemacht?« Er schüttelte den Kopf so heftig, daß ein paar Blutstropfen auf Großmutters Nachthemd fielen. »Nach oben, in dein Zimmer. Los.«
Das Dunkel war undurchdringlich, als er wieder die Treppe hochstieg. Da Großmutter die Schnüre abgeschnitten hatte, so daß nur sie sie erreichen konnte, war es ihm nicht möglich, das Licht anzuschalten. Er wollte nicht in sein nasses Bett zurück. Lange blieb er deshalb davor stehen und klammerte sich mit den Händen am Fußende fest. Er dachte, sie würde nicht kommen. Die dunkelsten Ecken des Zimmers wußten, daß sie nicht kommen würde.
Aber sie kam. Die Arme voller frischer Laken, riß sie an der kurzen Schnur für die Deckenlampe. Sie wechselte wortlos die Laken.
Als sie damit fertig war, packte sie ihn am Oberarm und zerrte ihn den Flur hinunter ins Bad. Die Lampe war über dem Spiegel angebracht, so daß sie sich auf die Zehenspitzen stellen mußte, um sie anzuknipsen. Sie gab ihm einen nassen, kalten Waschlappen.
»Zieh dein Nachthemd aus und wisch dich damit ab.«
Der Geruch von Heftpflaster und das Schnippen einer Schere. Sie schnitt ein Stück Heftpflaster ab, stellte ihn auf die Klobrille und verarztete die Wunde über seinem Auge.
»So«, sagte sie abschließend und hielt die Schere unter seinem runden Bauch an seinen Unterleib; sie fühlte sich kalt an.
»Schau«, forderte sie ihn auf und drückte seinen Kopf nach vorn, so daß er seinen winzigen Penis über der unteren Klinge der offenen Schere liegen sah. Dann drückte sie die Schere zusammen, bis er ein leichtes Zwicken verspürte.
»Soll ich ihn dir abschneiden?«
Er versuchte, zu ihr aufzuschauen, aber sie drückte seinen Kopf weiter nach unten. Er begann zu schluchzen. Speichel troff auf seinen Bauch.
»Soll ich?«
»Nein, Glouma. Nein, Glouma.«
»Dann hör mir jetzt gut zu: Wenn du noch einmal ins Bett machst, schneide ich ihn dir ab. Hast du verstanden?«
»Jaa, Glouma.«
»Du findest die Toilette auch im Dunkeln. Du brauchst dich nur wie ein braver Junge auf die Schüssel zu setzen. Es ist gar nicht nötig, daß du dich davor stellst. Und jetzt geh wieder ins Bett.«
Um zwei Uhr morgens kam Wind auf. Drückend heiß blies er aus dem Südosten, ließ die Zweige der abgestorbenen Apfelbäume sich aneinander reiben und brachte das Laub der gesunden zum Rascheln. Der Wind trieb warmen Regen gegen die Seite des Hauses, in dem Francis Dolarhyde, zweiundvierzig Jahre alt, schlief.
Er lag auf der Seite und nuckelte an seinem Daumen; sein verschwitztes Haar klebte an seiner Stirn und an seinem Nakken.
Jetzt wacht er auf. Eine Weile lauscht er dem Geräusch seines Atems im Dunkeln und dem kaum vernehmbaren Plinkern seiner blinzelnden Augen. Seine Finger riechen ganz schwach nach Benzin. Seine Blase ist voll.
Auf dem Nachttisch tastet er nach dem Glas mit seinem Gebiß.
Dolarhyde steckt sich

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