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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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unseres Materials unter die DD-Bestimmungen fällt. Sie müssen uns also schriftlich bestätigen, was Sie an Material von uns erhalten haben.«
»Selbstverständlich.«
»Wann brauchen Sie das Material?«
»So um den zwanzigsten, jedenfalls nicht danach.«
»Ich brauche Ihnen ja wohl nicht extra zu sagen: Je empfindlicher das Material ist, desto schwieriger ist es zu handhaben. Sie werden also Kühltaschen, Trockeneis und den ganzen Kram benötigen. So gegen vier Uhr testen sie ein paar Proben, wenn Sie sich die vielleicht ansehen wollen. Dann können Sie sich ja die zahmste Emulsion aussuchen, die gerade noch für Ihre Zwecke ausreicht.«
»Gut, ich werde kommen.«
Nachdem Dolarhyde gegangen war, zählte Reba McClane ihre Pflaumen. Er hatte eine genommen.
Ein eigenartiger Mensch, dieser Dolarhyde. In seiner Stimme hatte sich keine verlegene Pause des Mitleids oder Mitgefühls bemerkbar gemacht, als sie das Licht eingeschaltet hatte. Vielleicht hatte er bereits gewußt, daß sie blind war. Aber vielleicht, was noch besser wäre, kümmerte es ihn überhaupt nicht.
Das wäre zur Abwechslung mal was Erfreuliches.

30. K APITEL

    I n Chicago ging gerade Freddy Lounds’ Begräbnis über die Bühne. Für die Kosten kam der National Tattler auf, der sich ausdrücklich ausbedungen hatte, daß die Trauerfeier schon am Donnerstag, dem Tag nach seinem Tod, abgehalten wurde, damit die Fotos bereits in der Ausgabe des Tattler, die am Donnerstagabend erscheinen sollte, abgedruckt werden konnten.
    Die Trauerfeier zog sich ziemlich in die Länge, und zwar so
    wohl in der Aussegnungshalle wie am Grab. Ein Rundfunkprediger erging sich in endlosen Hinweisen auf die Vergänglichkeit des Menschen. Graham kämpfte mit den Nachwirkungen seines Katers und hatte deshalb Mühe, sich auf die Trauergäste zu konzentrieren.
    Der gemietete Chor verdiente sich am offenen Grab unter dem Surren der Winderkameras der Tattler-Fotografen seine Gage redlich. Zwei Fernsehteams hatten ihre Kameras aufgebaut. Polizeifotografen mit Presseausweisen fotografierten die Trauergäste.
    Graham entdeckte in der Menge mehrere Kriminalbeamte. Ihre Gesichter waren die einzigen, die ihm bekannt vorkamen.
Und dann war da noch Wendy von Wendy City, Lounds’ Freundin. Sie saß neben dem Sarg unter dem Zeltdach. Graham hätte sie fast nicht wiedererkannt. Ihre blonde Perücke war streng nach hinten frisiert, und sie trug ein schwarzes Kostüm.
Während des letzten Lieds stand sie auf, trat zaghaft vor, kniete nieder und legte, die Arme unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen über die üppigen Chrysanthemen ausgebreitet, den Kopf auf den Sarg. Fast geräuschlos setzte sich die versammelte Gemeinde dann über den schwammigen Rasen in Richtung Friedhofsausgang in Bewegung.
Graham ging hinter Wendy. Durch die Gitterstangen der Friedhofsumzäunung starrten ihnen zahlreiche ungeladene Neugierige entgegen.
»Wie fühlen Sie sich?« sprach Graham Wendy an.
Sie blieben zwischen den Gräbern stehen. Ihre Augen waren trocken, ihr Blick stet.
»Besser als Sie«, erwiderte sie. »Sie haben sich wohl einen angetrunken, wie?«
»Ja. Kümmert sich eigentlich jemand um Sie?«
»Die Polizei hat ein paar Beamte für mich bereitgestellt. Im Club treiben sich ein paar Polizisten in Zivil rum. Dort haben wir im Augenblick ein Bombengeschäft. Mehr Verrückte als sonst.«
»Tut mir leid, daß das alles passiert ist. Sie haben... ich fand es bewundernswert, wie Sie sich im Krankenhaus verhalten haben. Das hat mir sehr imponiert.«
Sie nickte. »Freddy war ein prima Kerl. Er hat es wirklich nicht verdient, so enden zu müssen. Danke auch, daß Sie mich in sein Zimmer gelassen haben.« Nachdenklich blinzelnd, der Lidschatten wie Steinstaub auf ihren Lidern, sah sie kurz in die Ferne, bevor sie sich wieder Graham zuwandte. »Ich habe übrigens vom Tattler Geld gekriegt; das haben Sie sich doch sicher schon gedacht, oder? Für ein Interview und diese kleine Einlage am offenen Grab. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Freddy etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte.«
»Er wäre höchstens sauer gewesen, wenn Sie sich diese Gelegenheit entgehen hätten lassen.«
»Genau das habe ich mir auch gedacht. Das sind zwar alles Wichser, aber sie zahlen gut. Sie haben mich übrigens auch dazu zu überreden versucht, zu sagen, ich dächte, Sie hätten diesen Verrückten ganz bewußt auf Freddy gehetzt - so, wie Sie sich für den Tattler mit ihm fotografieren ließen. Aber diesbezüglich habe ich mich

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