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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Dolarhyde ihr den Sicherheitsgurt anlegte. Der Gurt drückte auf eine ihrer Brüste. Sie verrutschte ihn, so daß er zwischen ihnen zu liegen kam.
Während der Fahrt sprachen sie kaum. Wenn er an einer roten Ampel warten mußte, konnte er sie in Ruhe betrachten.
Sie wohnte in einer Doppelhaushälfte in einer ruhigen Seitenstraße unweit der Washington University.
»Wollen Sie noch auf einen Drink mit reinkommen?« lud sie ihn ein.
Dolarhyde hatte in seinem bisherigen Leben noch kein Dutzend Privatwohnungen betreten. Während der letzten zehn Jahre hatte er ganze vier betreten: seine eigene, ganz kurz die von Eileen, die der Leeds’ und die der Jacobis. Anderer Leute Behausungen stellten für ihn etwas höchst Exotisches dar.
Reba spürte, wie der Kombi leicht ins Schaukeln geriet, als er ausstieg. Die Tür an ihrer Seite öffnete sich. Das Führerhaus befand sich ziemlich weit über dem Boden, wurde ihr beim Aussteigen bewußt. Sie stieß leicht gegen ihn. Es war, als streifte sie einen Baum. Er war wesentlich schwerer und kompakter, als sie aufgrund seiner Stimme und seiner Schritte vermutet hätte. Kräftig und doch leichtfüßig. Siehatte mal in Denver einen Spieler der Broncos kennengelernt, der sich bereit erklärt hatte, für eine United Way-Kampagne mit ein paar blinden Kindern in einem Werbespot aufzutreten ...
Kaum hatte sie die Haustür hinter sich geschlossen, stellte Reba McClane ihren Stock in die Ecke. Sie bewegte sich plötzlich ganz frei und ungehindert, stellte Musik an und hängte ihren Mantel auf. Dolarhyde mußte sich nachdrücklich ins Gedächtnis zurückrufen, daß sie blind war. In der Wohnung eines anderen Menschen zu sein, übte einen seltsamen Reiz auf ihn aus.
»Wie war’s mit einem Gin Tonic?« bot sie ihm an.
»Nur Tonic wäre mit lieber.«
»Möchten Sie vielleicht lieber einen Saft?«
»Nein, Tonic ist schon in Ordnung.«
»Sie trinken wohl nicht?«
»Nein.«
»Kommen Sie doch mit in die Küche.« Sie öffnete den Kühlschrank. »Möchten Sie vielleicht -« Ihre Hände nahmen eine kurze Bestandsaufnahme vor, »- ein Stück Kuchen? Ich könnte Ihnen einen Nußkuchen anbieten; sehr lecker.«
»Danke, gern.«
Sie nahm ein ganzes Stück Kuchen aus dem Kühlschrank und legte es auf die Arbeitsplatte neben der Spüle.
Ihre Hände direkt nach unten zeigend, spreizte sie die Finger am Rand des Kuchens entlang, bis ihre Mittelfinger an seinem Rand die Neun- und Drei-Uhr-Position von Uhrzeigern einnahmen. Dann legte sie ihre Daumenspitzen aneinander und senkte sie auf den Kuchen hinab, bis sie diesen genau in seinem Mittelpunkt berührten. Diese Stelle kennzeichnete sie mit einem Zahnstocher.
Dolarhyde versuchte, eine Unterhaltung zu beginnen, damit sie sich seiner eindringlichen Blicke nicht bewußt wurde. »Wie lange arbeiten Sie schon bei Baeder?« Ein Satz mit immerhin nur einem S.
»Drei Monate. Wußten Sie das nicht?«
»Sie teilen mir nur das Nötigste mit.«
Sie mußte grinsen. »Vermutlich sind Sie bei der Konzeption der Dunkelkammern ein paar Leuten auf die Zehen gestiegen. Die Techniker jedenfalls halten deswegen große Stücke auf Sie. Die Installationen funktionieren, und vor allem gibt es ausreichend Anschlüsse. Ganze 22 und überall dort, wo man sie haben will.«
Sie legte den Mittelfinger ihrer linken Hand auf den Zahnstocher und ihren Daumen auf den Rand der Dose, um ihm dann ein Stück Kuchen herauszuschneiden. Dabei führte sie das Messer mit ihrem linken Zeigefinger.
Er beobachtete, wie sie das blitzende Messer handhabte. Ein eigenartiges Gefühl, eine Frau so lange von vorne ansehen zu können, wie er wollte. Wie oft kann man in Gegenwart eines anderen Menschen schon dort hinsehen, wo man eigentlich hinsehen wollte?
Nachdem sie sich einen kräftigen Gin Tonic eingeschenkt hatte, gingen sie ins Wohnzimmer. Ihre Hand glitt über eine Stehlampe und knipste sie an, als sie keine Wärme von ihr ausstrahlen spürte.
Dolarhyde hatte den Kuchen in drei Bissen verzehrt und saß steif auf der Couch; sein glatt zurückgekämmtes Haar schimmerte im Schein der Lampe; seine mächtigen Pranken ruhten auf seinen Knien.
Sie ließ ihren Kopf auf die Sessellehne zurücksinken und legte ihre Füße auf einen Hocker. »Wann werden denn diese Nachtaufnahmen im Zoo gemacht?«
»Wahrscheinlich nächste Woche.« Dolarhyde war froh, daß er im Zoo angerufen und ihnen den Infrarotfilm angeboten hatte. Vielleicht überprüfte Dandridge das Ganze.
»Der Zoo ist wirklich fantastisch. Ich bin mit meiner

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