Roter Drache
Gerichtssaals hing.
Den Jacobis hatte Graham sich nie so nahe gefühlt wie den Leeds. Der Film wühlte ihn außerordentlich auf. Es beunruhigte ihn, daß er an die Jacobis immer nur in Form von Kreidemarkierungen auf dem blutüberströmten Fußboden gedacht hatte.
Jetzt erschienen die Jacobi-Kinder auf der Leinwand, um das Kopfende des Eßtischs aufgereiht, in ihren Gesichtern der Widerschein der Kerzen auf dem Geburtstagskuchen.
Einen Augenblick lang zuckte vor Grahams geistigen Auge das Bild des Wachsfleckens auf dem Nachttisch der Jacobis auf, die Blutflecken in der Schlafzimmerecke der Leeds’. Irgend etwas...
Crawford kam zurück. »Metcalf läßt dich fragen -«
»Sei still!«
Crawford war keineswegs beleidigt. Er blieb vollkommen reglos stehen und kniff erwartungsvoll seine kleinen, grauen Augen zusammen.
Der Film lief weiter. Die von der Leinwand reflektierten Lichter und Schatten spielten über Grahams Gesicht.
Jetzt kam die Katze der Jacobis. Der Drache hatte gewußt, daß sie den Jacobis gehörte.
Dann die Innentür zum Keller.
Dann die äußere Kellertür mit dem Vorhängeschloß. Der Drache hatte einen Bolzenschneider mitgebracht.
Der Film war zu Ende. Er löste sich von der Spule und schnalzte im Drehen immer wieder gegen die Seite des Projektors.
Alles, was der Drache hatte wissen müssen, war auf den beiden Filmen zu sehen.
Sie waren nicht öffentlich vorgeführt worden; es gab keinen Filmclub, kein Filmfestival...
Graham sah auf die vertraute grüne Schachtel, in der den Leeds der Film zugeschickt worden war. Ihre Adresse stand darauf - und die der Gateway-Filmentwicklungsanstalt, St. Louis, Mo. 63102.
Graham rief sich ›St. Louis‹ ins Gedächtnis zurück, wie er sich jede beliebige Telefonnummer, die er je gesehen hatte, ins Gedächtnis hätte zurückrufen können. Was war gleich wieder mit St. Louis gewesen? Es war einer der wenigen Orte, wo der Tattler schon am Montagabend, also am Tag der Drucklegung, erhältlich war - an dem Tag, bevor Lounds entführt wurde.
»Herr im Himmel«, stöhnte Graham. »Ist das noch zu fassen?«
Er preßte die Hände seitlich an seinen Kopf, als wollte er den Gedanken am Entweichen hindern. »Hast du Metcalf noch am Apparat?« Crawford reichte ihm den Hörer.
»Byron, hier spricht Graham. Hören Sie, diese Filme der Jacobis, die Sie mir zugeschickt haben - waren sie zufällig in irgendwelchen Behältern? ... Natürlich, ich weiß, daß Sie sie mitgeschickt hätten. Da wäre noch ein Punkt, in dem ich dringend auf Ihre Hilfe angewiesen wäre. Haben Sie gerade die Bankauszüge der Jacobis zur Hand? Gut, ich möchte wissen, wo sie ihre Schmalfilme entwickeln ließen.
Möglicherweise hat sie ein Fotogeschäft für sie eingeschickt. Falls unter den Kontoauszügen irgendwelche Zahlungen an Drogerien oder Fotogeschäfte sind, läßt sich das herausfinden. Es ist sehr dringend, Byron. Ich werde Ihnen alles näher erklären, sobald sich eine Gelegenheit dazu findet. Der Birminghamer FBI wird sich um die Läden kümmern. Sobald Sie also etwas finden, geben Sie es erst an unsere dortige Außenstelle durch, dann an uns. Würden Sie das tun? Großartig. Was? Nein, ich werde Sie nicht mit meinem Spatz bekanntmachen.« In Birmingham überprüften FBI-Agenten vier Fotogeschäfte, bevor sie den Laden ausfindig machten, in dem die Jacobis ihre Filme hatten entwickeln lassen. Der Geschäftsführer erklärte, alle Schmalfilme würden ohne Ausnahme an dieselbe Entwicklungsanstalt eingeschickt.
Crawford hatte sich die Filme zwölfmal angesehen, bevor endlich der Anruf aus Birmingham kam. Er notierte sich die Adresse.
Er streckte Graham eigenartig förmlich die Hand entgegen, als er sagte: »Es ist Gateway.«
43. K APITEL
C rawford löste gerade in einem Plastikbecher ein AlkaSeltzer auf, als über das Lautsprechersystem der 727 die
Stimme einer Stewardeß ertönte.
»Mr. Crawford möchte sich bitte zu erkennen geben.« Als er
ihr von seinem Platz am Mittelgang zuwinkte, kam sie auf ihn
zu. »Mr. Crawford, würden Sie bitte in das Cockpit kommen?« Vier Minuten später kam Crawford wieder zurück und ließ
sich neben Graham in seinen Sitz sinken. »Die Zahnschwuchtel
war heute in New York.« Graham zuckte zusammen, und seine
Zähne gaben ein klapperndes Geräusch von sich.
»Nein, nicht was du denkst. Er hat nur im Brooklyn Museum zwei Frauen bewußtlos geschlagen und dann - jetzt kommt’s
- ein Aquarell aufgegessen.«
»Er hat es gegessen?«
»Ja, gegessen. Sobald sie
Weitere Kostenlose Bücher