Roter Drache
sollte mir seine Adresse und Telefonnummer zukommen lassen, aber bisher war das leider nicht der Fall.«
»Ich bin nur eine wissenschaftliche Hilfskraft; Linda wird Montag morgen wieder-«
»Ich muß den Schmöker in fünf Minuten mit dem Paketdienst rausgeben, und ich möchte deswegen Dr. Bloom möglichst nicht zu Hause belästigen müssen, weil er Linda doch eigens aufgetragen hat, mir die Adresse zu schicken, und ich möchte nicht, daß sie deshalb Schwierigkeiten bekommt. Sie müßte doch gleich neben Ihnen in ihrem Rolodex sein. Seien Sie doch so gut und suchen Sie mir die Adresse raus.«
»Linda hat keinen Rolodex.«
»Na, dann eben ein ganz gewöhnliches Adreßbuch: Sie werden doch wissen, wo sie ihre Adressen notiert hat.«
»Ja, jetzt sehe ich es.«
»Na, sehen Sie, und jetzt schlagen Sie mir den Burschen schnell nach, und ich werde Sie nicht mehr länger belästigen.«
»Wie war der Name gleich wieder?«
»Graham. Will Graham.«
»Einen Moment - aha, seine Privatnummer ist 305 JL5-7002.«
»Ich soll das Buch an seine Privatadresse schicken.«
»Seine Privatadresse steht hier nicht.«
»Was steht denn dann da?«
»Federal Bureau of Investigation, Tenth and Pennsylvania, Washington, D.C. Ach, und Postfach 3680, Marathon, Florida.«
»Wunderbar. Sie sind ein Engel.«
»Bitte, gern geschehen.«
Lecter fühlte sich gleich viel besser. Nun würde er Graham hin und wieder mit einem Anruf überraschen, und wenn der Kerl sich nicht zu benehmen lernte, würde er ihm von einem Krankenhausbedarfversandhaus zur Erinnerung an alte Zeiten einen Kolostomiebeutel zuschicken lassen müssen.
9. K APITEL
S iebenhundert Meilen weiter südwestlich wartete Francis Dolarhyde in der Kantine des Gateway Filmentwicklungslabors in St. Louis auf einen Hamburger. Die Gerichte in der Warmhaltevitrine wirkten nicht mehr gerade sehr frisch. Er stand neben der Registrierkasse und nippte an seinem Pappbecher mit Kaffee.
Eine rothaarige junge Frau in einem Laborkittel betrat die Cafeteria und studierte den Süßigkeitenautomaten. Sie spähte mehrere Male in Richtung Dolarhydes Rücken und spitzte nachdenklich die Lippen. Schließlich trat sie auf ihn zu und sprach ihn an.
»Mr. D.?«
Dolarhyde drehte sich nach ihr um. Außerhalb der Dunkelkammer trug er immer eine rote Brille. Die Frau wandte ihren Blick nicht vom Bügel der Brille ab.
»Würden Sie sich bitte kurz zu mir setzen? Ich möchte Ihnen etwas sagen.«
»Was wollen Sie mir denn sagen, Eileen?«
»Daß es mir schrecklich leid tut. Bob war nur vollkommen betrunken und hat einfach Unsinn geredet, wissen Sie. Er hat das doch nicht wirklich so gemeint. Bitte, setzen wir uns doch einen Moment. Nur ganz kurz. Würden Sie mir den Gefallen tun?«
»Mmmmm-hmmmm.« Dolarhyde sagte nie ›sicher‹, da er mit dem Zischlaut /s/ etwas Schwierigkeiten hatte.
Sie nahmen an einem der Tische Platz. Die Frau spielte nervös an einer Serviette herum.
»Wir haben uns doch auf der Party alle bestens unterhalten, und wir haben uns wirklich gefreut, daß Sie gekommen sind«, begann sie. »Doch, wir haben uns ehrlich gefreut, und wir waren auch ein wenig überrascht. Und Sie wissen ja, wie Bob ist ständig imitiert er irgendwelche Stimmen; er sollte wirklich zum Rundfunk gehen. Er hat ein paar verschiedene Akzente nachgemacht, Witze erzählt - das übliche eben. Er kann übrigens wie ein richtiger Schwarzer sprechen. Und als er dann diese andere Stimme nachgemacht hat, dann war das nicht gegen Sie gerichtet. Er war zu dem Zeitpunkt bereits viel zu betrunken, um überhaupt noch zu wissen, wer noch alles da war.«
»Alle haben gelacht, und dann... hat man plötzlich nicht mehr gelacht.« Dolarhyde vermied es, wegen der Zischlaute /s/ ›sie‹ zu sagen.
»Aber an diesem Punkt ist Bob doch erst bewußt geworden, was er getan hatte.«
»Er hat trotzdem weitergemacht.«
»Ich weiß.« Sie schaffte es, von ihrer Serviette zu seiner roten Brille aufzuschauen, ohne unterwegs irgendwo hängenzubleiben. »Ich habe ihm deshalb ja auch Vorhaltungen gemacht. Er hat gesagt, er hätte sich nichts weiter dabei gedacht; er wäre eben mordsmäßig in Fahrt gewesen, und außerdem hätte er das Ganze eben auf diese Weise zu überspielen versucht. Sie haben sicher selbst gesehen, wie rot er geworden ist.«
»Er hat mich aufgefordert, mit ihm... ein Duett aufzuführen.«
»Aber er hat Sie doch in den Arm zu nehmen versucht. Er wollte das Ganze doch nur von der spaßigen Seite nehmen, Mr. D.«
»Das habe ich doch auch
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