Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
getan, Eileen.«
»Bob ist das Ganze schrecklich peinlich.«
»Nun, das möchte ich auf keinen Fall. Bestellen Sie ihm bitte, daß ich das nicht möchte. Und hier in der Firma wird sich deshalb auch nicht viel ändern. Mein Gott, wenn ich Bobs Talent hätte, würde ich auch ständig meine Spä... Witze machen.« Dolarhyde vermied, so gut es ging, Worte mit Eszett. »Das wird sich schon wieder einrenken, und übermitteln Sie ihm Grü... richten Sie ihm aus - ich bin nicht nachtragend.«
»Danke, Mr. D., Sie müssen wissen, daß Bob trotz seiner ständigen Clownereien ein höchst sensibler Mensch ist.«
»Das kann ich mir denken. Und auch zärtlich, nehme ich an.« Dolarhydes Stimme war durch seine vorgehaltene Hand gedämpft. Im Sitzen preßte er immer den Knöchel seines Zeigefingers unter seine Nase.
»Wie bitte?«
»Ich meinte, Sie pas... Sie sind genau die Richtige für ihn, Eileen.«
»Das glaube ich auch, doch. Er trinkt sonst nicht - nur hin und wieder am Wochenende. Er fängt dann an, sich langsam zu entspannen, und dann belästigt uns seine Frau mit ihren Anrufen. Er schneidet Gesichter, wenn ich mit ihr spreche, aber ich spüre, daß er danach immer ganz schön aufgewühlt ist. So was merkt eine Frau eben.« Sie berührte Dolarhyde kurz am Handgelenk, und trotz seiner rot getönten Brille entging ihr nicht die Wirkung, die diese Berührung in seinen Augen hinterließ. »Nehmen Sie das Ganze also bitte nicht zu schwer, Mr. D. Und glauben Sie mir, ich bin wirklich froh, daß wir uns mal ausgesprochen haben.«
»Ich auch, Eileen.«
Dolarhyde sah ihr hinterher, als sie wieder ging. Sie hatte einen Knutschfleck in der Kniekehle. Er war, völlig zu Recht, der Auffassung, daß Eileen nicht sonderlich angetan von ihm war. Eigentlich war das niemand.
In der großen Dunkelkammer war es kühl, und es roch nach Chemikalien. Francis Dolarhyde kontrollierte die Entwicklerflüssigkeit im Tank A. Hunderte von Metern Schmalfilm aus allen Teilen der USA bewegten sich stündlich durch diesen Tank. Temperatur und Sättigungsgrad der Lösung waren von vorrangiger Bedeutung für den Entwicklungsprozeß. Neben allen anderen Arbeitsgängen, bis ein Film den Trockner passiert hatte, fiel dies in seinen Verantwortungsbereich. Unzählige Male nahm er Tag für Tag stichprobenweise einzelne Filme aus dem Tank und kontrollierte sie Bild für Bild.
In der Dunkelkammer herrschte Stille. Dolarhyde unterband jede Unterhaltung unter seinen Mitarbeitern und verständigte sich vorwiegend durch Handzeichen mit ihnen. Nach Feierabend blieb er allein in der Dunkelkammer zurück, um ein paar seiner eigenen Filme zu entwickeln.
Gegen zweiundzwanzig Uhr kehrte Dolarhyde nach Hause zurück. Er wohnte in dem großen Haus, das seine Großeltern ihm vermacht hatten. Es stand am Ende einer gekiesten Auffahrt, die nördlich von St. Charles, Missouri, auf der St. Louis gegenüberliegenden Seite des Missouri durch einen großen Obstgarten verlief. Der Besitzer des Gartens kümmerte sich nicht um dessen Instandhaltung. Unter den grünen Bäumen standen auch zahlreiche kahle und abgestorbene.
Und nun - es war Ende Juli - hing der Geruch verfaulender Äpfel in der Luft. Tagsüber gab es hier viele Bienen. Der nächste Nachbar wohnte fast einen Kilometer weit entfernt.
Jedes Mal, wenn Dolarhyde nach Hause kam, inspizierte er erst das Haus; vor ein paar Jahren hatte jemand einen, allerdings unverrichteter Dinge wieder abgebrochenen, Einbruchsversuch unternommen. Er machte einen Rundgang durch das Haus und knipste in jedem Zimmer das Licht an.
Ein Besucher hätte nicht den Eindruck gewonnen, daß Dolarhyde das Haus allein bewohnte. In den Schränken hingen noch die Kleider seiner Großeltern, und auf dem Schminktisch seiner Großmutter lagen mehrere Bürsten mit Haaren zwischen den Borsten. Aus einem Glas auf dem Nachttisch bleckten einem die Zähne ihres Gebisses entgegen. Das Wasser darin war längst verdunstet. Seine Großmutter war seit zehn Jahren tot. (Der Leiter des Bestattungsinstitutes hatte ihn gebeten: »Mr. Dolarhyde, würden Sie mir bitte noch das Gebiß Ihrer Großmutter bringen?« Doch er hatte nur erwidert: »Machen Sie ruhig schon mal den Sargdeckel zu.«)
Nachdem er sich vergewissert hatte, daß er allein im Haus war, ging Dolarhyde nach oben, um ausgiebig zu duschen und sich die Haare zu waschen.
Dann zog er einen Kimono aus synthetischem Material an, das sich wie Seide anfühlte, und legte sich auf das schmale Bett in dem Zimmer, das er seit

Weitere Kostenlose Bücher