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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Weise mehr werden, als er ist.«
»Du klingst diesbezüglich ja ganz schön überzeugt.«
»Mag sein. Allerdings bin ich mir meiner Sache keineswegs so sicher, wie es scheinen mag. Zumindest hat er in dem Brief geschrieben: ›Ich habe etwas, was ich Ihnen nur zu gern zeigen würde. Eines Tages vielleicht, wenn die Umstände es zulassen.‹ Möglicherweise war dieses Angebot vollkommen ernst gemeint. Jedenfalls glaube ich nicht, daß es sich dabei nur um eine Höflichkeitsfloskel handelt.«
»Was er Lecter wohl so gerne zeigen möchte? An den Opfern fehlte doch nichts, wenn man einmal von etwas Haut und Haaren absieht, die er sich... wie hat Bloom es doch gleich wieder ausgedrückt?«
»Einverleibt hat«, kam ihm Graham zu Hilfe. »Zu deutsch: Er hat sie vermutlich verschlungen. Wer weiß, was er Lecter zeigen wollte? Tremont, kannst du dich noch an Tremonts Kostüme in Spokane erinnern? Noch als er bereits an die Tragbahre geschnallt war, hat er die umstehenden Polizisten mit seinem Kinn auf seine Kostüme aufmerksam zu machen versucht. Aber ich bin mir natürlich keineswegs sicher, ob Lecter die Zahnschwuchtel wirklich anlocken könnte, Jack. Ich will damit nur sagen, daß ich das für die plausibelste Möglichkeit halte.«
»Stell dir mal vor, es dränge an die Öffentlichkeit, daß Lecter sich auf freiem Fuß befindet - nicht auszudenken. Die Presse würde uns bei lebendigem Leib in Stücke reißen. Mag sein, daß es unsere letzte Chance ist, aber gerade deshalb sollten wir sie uns vielleicht auch bis zum Schluß aufsparen, falls alle Stricke reißen.«
»Vermutlich würde er sich nicht an einen toten Briefkasten heranwagen, aber er könnte doch neugierig genug sein, diesen toten Briefkasten zu beobachten, um zu sehen, ob Lecter ihm nicht doch eine Falle gestellt hat. Dazu wäre es nötig, daß er die vereinbarte Stelle von einem ein gutes Stück entfernten Beobachtungsposten unbemerkt einsehen könnte. Wir könnten also für den toten Briefkasten eine Stelle aussuchen, die nur von wenigen Punkten aus sicherer Entfernung eingesehen werden kann, und diese Stellen dann von unseren Leuten rund um die Uhr beobachten lassen.« Dieser Vorschlag klang selbst in Grahams eigenen Ohren nicht sonderlich überzeugend, als er ihn vorbrachte.
»Das Secret Service hätte eine Stelle, die für so was in Frage käme und von der sie selbst nie Gebrauch gemacht haben. Sie würden sie uns sicher überlassen. Aber wenn wir nicht schon heute eine Annonce aufgeben, dauert es bis nächsten Montag, bevor wir die nächste wieder aufgeben können. Die heutige Ausgabe geht Punkt fünf Uhr in Druck. Unsere Leute in Chicago haben also noch eine Stunde und fünfzehn Minuten Zeit, um Lecters Annonce zu finden - falls er überhaupt eine aufgegeben hat.«
»Was ist eigentlich mit dem Brief, den Lecter an die Anzeigenredaktion des Tattler geschickt haben muß? Ich meine, er muß den Anzeigentext doch schriftlich durchgegeben haben. Ließe sich das Problem auf diesem Weg nicht rascher und einfacher klären?«
»Auch diesbezüglich haben unsere Leute in Chicago schon vorgefühlt«, erwiderte Crawford. »Die Post bleibt im Büro des Leiters der Anzeigenredaktion. Dort verkaufen sie die Adressen an Postvertriebsnetze weiter, die aus der Einsamkeit der Leute, die Kontaktanzeigen aufgeben, Kapital schlagen, indem sie ihnen, angefangen von Potenzmitteln über Kurse gegen Erröten bis zu ›wunderschönen Asiatinnen‹ irgendwelchen Unsinn andrehen.
Wir könnten natürlich an die staatsbürgerlichen Instinkte des Leiters der Anzeigenredaktion appellieren, damit er uns die Anzeigenbestellungen einsehen läßt, ohne das Ganze gleich an die große Glocke zu hängen. Aber im Augenblick möchte ich noch nicht riskieren, daß der Tattler am Ende doch Wind davon bekommt und alles zunichte macht. Wir brauchten auf jeden Fall einen Haussuchungsbefehl, um einfach antanzen und uns die Post vornehmen zu können. Aber das will ich mir erst noch mal überlegen.«
»Falls unsere Leute in Chicago nicht fündig werden, könnten wir trotzdem noch eine Anzeige reinsetzen«, schlug Graham vor. »Und falls wir uns bezüglich des Tattler getäuscht haben sollten, hätten wir zumindest nichts zu verlieren.«
»Und wenn wir uns bezüglich des Tattler nicht getäuscht haben und eine Annonce aufgeben, die eindeutig von den in dem Brief genannten Bedingungen abweicht - ich meine, wenn er das Gefühl bekommt, mit der Annonce ist etwas faul - dann können wir doch gleich einpacken.

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