Roter Drache
Ich habe dich ja noch gar nicht gefragt, wie es in Birmingham war. Irgend etwas Brauchbares?«
»In Birmingham haben sie den Fall endgültig abgeschlossen. Das Haus ist von Grund auf renoviert worden und wird bereits zum Verkauf angeboten. Die Einrichtung und der sonstige Besitz der Familie befindet sich in einem Möbellager. Ich habe mir den ganzen Krempel in aller Gründlichkeit angesehen. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, kannten die Jacobis nicht sehr gut. Das einzige, was mehrere der befragten Personen zur Sprache brachten, war die Zuneigung der Jacobis füreinander. Sie müssen wohl ständig Händchen gehalten haben. Und jetzt ist nichts mehr von ihnen übrig außer fünf Paletten Hausrat in einem Lagerhaus. Ich wünschte, ich hätte -«
»Spar dir deine guten Wünsche; zumindest arbeitest du jetzt an dem Fall.«
»Und was ist mit dem chinesischen Zeichen, das er in die Rinde des Asts geritzt hat?«
»Du meinst dieses ›den Nagel auf den Kopf getroffen‹? Also ich kann damit leider absolut nichts anfangen.« Crawford schüttelte ratlos den Kopf. »Genausowenig wie mit dem Roten Drachen. Beverly Katz spielt selbst Ma-Jongg, und sie ist bestimmt nicht auf den Kopf gefallen. Trotzdem kann sie sich.keinen Reim aus dem Ganzen machen. Anhand seines Haares wissen wir jedenfalls, daß er kein Chinese ist.«
»Er hat den Zweig mit einem Bolzenschneider abgezwickt. Ich begreife nicht recht -« In diesem Augenblick klingelte Crawfords Telefon. Er sprach kurz hinein.
»Im Labor sind sie jetzt mit dem Brief fertig, Will. Gehen wir doch zu Zeller rauf. Sein Büro ist größer und nicht so grau.«
Auf dem Flur gesellte sich Lloyd Bowman, trotz der Hitze trocken wie altes Pergament, zu ihnen. Der fächelte mit beiden Händen noch feuchte Fotos trocken und hatte sich eine Mappe mit Datafax-Bögen unter den Arm geklemmt. »Jack, ich habe um Viertel nach vier einen Termin bei Gericht«, fächelte er sich den Gang hinunter. »Es geht um diesen Fälscher Nilton Eskew und seine Flamme Nan. Die würde dir aus dem Handgelenk einen Bundesschatzbrief aufs Papier zeichnen. Die beiden haben mir nun schon zwei Jahre mit ihren Reiseschecks, die sie mit einem Farbkopierer hergestellt haben, das Leben schwer gemacht. Jedenfalls will ich mir die beiden Vögel keinesfalls mehr durch die Lappen gehen lassen. Glauben Sie, wir sind bis dahin fertig, oder soll ich lieber schon mal den Staatsanwalt verständigen, daß ich etwas später komme?«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Graham. »Bis dahin sind wir längst fertig. Da wären wir ja schon.«
Von der Couch in Zellers Büro lächelte Graham Beverly Katz entgegen und machte damit die grimmige Miene von Jimmy Price wett, der neben ihr saß.
Der Leiter der Abteilung für Wissenschaftliche Analysen, Brian Zeller, wirkte auffallend jung für sein verantwortungsvolles Amt; sein Haaransatz war jedoch bereits deutlich im Rückzug begriffen, und er trug eine dicke Brille. In dem Regal hinter Zellers Schreibtisch sah Graham verschiedene wichtige Werke der gerichtsmedizinischen Literatur stehen.
»Soviel ich weiß, haben wir uns doch schon mal im GWU gesehen, Will«, begrüßte Zeller Graham. »Die anderen Herrschaften kennen Sie vermutlich?... Gut.«
Crawford ließ sich mit über der Brust verschränkten Armen auf einer Ecke von Zellers Schreibtisch nieder. »Hat irgend jemand mit einer kleinen Sensation aufzuwarten?... Nun gut, war ja auch nicht anders zu erwarten. Haben Sie etwas bemerkt, was darauf hindeutet, daß der Brief nicht von unserem Freund stammt?«
»Nein«, meldete sich Bowman zu Wort. »Vor ein paar Minuten habe ich gerade noch mit Chicago telefoniert, um ihnen ein paar Zahlen durchzugeben, die sich in der Rückseite des Papiers eingedrückt hatten. Sechs-sechs-sechs. Ich werde Ihnen das ausführlicher erläutern, wenn wir zu diesem Punkt kommen. Mittlerweile liegen uns aus Chicago über zweihundert Kontaktanzeigen vor.« Er reichte Graham einen Packen Datafax-Kopien. »Ich habe sie alle gelesen. Es handelt sich dabei um den üblichen Kram - Heiratsangebote, Heimkehrappelle an jugendliche Ausreißer und dergleichen mehr. Ich weiß nicht recht, wie wir die spezielle Annonce erkennen sollten, falls es sie tatsächlich gibt.«
Crawford schüttelte den Kopf. »Das weiß ich auch nicht. Aber vielleicht sollen wir uns erst mal mit den verschiedenen physischen Spuren befassen. Jimmy Price hat alles in seiner Macht Stehende versucht, aber leider kann er mit keinem Fingerabdruck aufwarten.
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