Roter Drache
los.
»Sie wollen diesen Irren doch fassen, oder nicht? Ich kann Ihnen dabei helfen. Lassen Sie mich also erst mal in Ruhe zu Ende sprechen.« Lounds beeilte sich sichtlich, Crawfords Einwänden zuvorzukommen. »Sie haben mir doch eben selbst gezeigt, wie dringend Sie auf die Unterstützung des Tattler angewiesen sind. Vorher war ich mir dessen nicht so sicher - aber jetzt schon. Diese Annonce hat doch mit dem Zahnschwuchtel- Fall zu tun, oder hätten Sie sich sonst etwa solche Mühe gemacht festzustellen, woher dieser Anruf kam? Wie gesagt, der Tattler steht Ihnen zu Diensten. Allzeit bereit.«
»Wie haben Sie das herausbekommen?«
»Der Leiter der Anzeigenredaktion ist zu mir gekommen.
Ihr Büro in Chicago hätte da so einen Kleiderschrank vorbeigeschickt, um sich die Annoncen anzuschauen. Ihr Mann hat sich fünf Briefe mit Anzeigenaufträgen aushändigen lassen
- wegen angeblichen ›Postbetrugs‹. Von wegen Postbetrug. Der Leiter der Anzeigenredaktion hat die Briefe samt Umschlägen kopiert, bevor er sie Ihrem Mann ausgehändigt hat.
Ich sah mir die Briefe alle an, wobei mir selbstverständlich klar war, daß ihn nur einer davon wirklich interessierte. Die anderen hat er sich einfach aus Tarnzwecken geben lassen. Ich brauchte allerdings eine Weile, bis ich mir einen Reim auf das Ganze machen konnte. Der Umschlag brachte mich schließlich auf des Rätsels Lösung. Er war mit einem Frankierstempel des Chesapeake State Hospital abgestempelt. Und dort war ich doch erst kürzlich, auf der Fährte Ihres tollkühnen Freundes, wie Sie wissen. Um was anderes hätte es sich demnach also drehen können?
Dennoch wollte ich mir Gewißheit verschaffen. Deshalb habe ich gestern angerufen, um zu sehen, ob Sie auf ›Mr. Pilger‹ anspringen würden. Und das haben Sie ja, weiß Gott, getan.«
»Wissen Sie eigentlich, was Sie da für eine Riesendummheit gemacht haben, Freddy.«
»Sie sind auf den Tattler angewiesen, und ich könnte Ihnen in dieser Hinsicht sehr entgegenkommen. Zum Beispiel, was die Anzeigen, gewisse redaktionelle Maßnahmen oder die Überprüfung der eingehenden Post betrifft - was Sie wollen. Sagen Sie mir Ihre Wünsche - ich kann sehr diskret sein. Jawohl, das kann ich sehr wohl. Beziehen Sie mich mit ein, Crawford.«
»Es gibt nichts, worin wir Sie mit einbeziehen könnten.«
»Na gut, dann macht es vermutlich ja auch nichts aus, wenn in der nächsten Ausgabe sechs Anzeigen erscheinen, alle für ›Mr. Pilger‹ bestimmt und wie gehabt unterzeichnet. «
»Wenn Sie unbedingt wollen, daß ich Ihnen mit einer einstweiligen Verfügung und einer Anzeige wegen Rechtsbehinderung komme - bitte.«
»Darüber hinaus könnte etwas von der ganzen Sache an die übrigen Zeitungen des Landes durchsickern.« Lounds wußte, daß seine Worte auf Band aufgezeichnet wurden. Aber das schien ihn nicht im geringsten zu stören. »Ich schwöre Ihnen, Crawford: Ich werde es tun. Ich mache Ihnen einen Strich durch die Rechnung, wenn Sie mich nicht in die Ermittlungen mit einbeziehen.«
»Fügen Sie dem, was ich eben gesagt habe, noch bundesweite Verbreitung einer sicherheitsgefährdenden Information hinzu.«
»Lassen Sie mich Ihnen helfen, Jack. Ich bin dazu sehr wohl in der Lage. Glauben Sie mir.«
»Fahren Sie lieber schon mal schön brav mit Sergeant Riddle aufs Revier, Freddy. Aber vorher geben Sie mir Riddle bitte noch mal.«
Freddy Lounds’ Lincoln Versailles roch nach Haarwasser und Aftershave, ungewaschenen Socken und Zigarren, so daß der Sergeant voller Erleichterung ausstieg, als sie vor der Wache hielten.
Lounds kannte den Revierkommandanten und viele der Streifenpolizisten. Der Captain ließ Lounds Kaffee bringen und rief in der Staatsanwaltschaft an, um ›diese unangenehme Geschichte möglichst rasch zu klären‹.
Kein FBI-Marshal kam Lounds holen. Der erhielt statt dessen eine halbe Stunde später im Büro das Captains einen Anruf von Crawford, worauf er sich wieder auf freiem Fuß befand. Der Captain begleitete ihn persönlich zu seinem Wagen.
Lounds war ziemlich aufgedreht und fuhr auf dem Heimweg zu seinem Apartment, von dem man einen herrlichen Blick auf den Lake Michigan hatte, schnell und hektisch. Es gab verschiedene Dinge, die er von dieser Story erwartete und von denen er wußte, daß er sie auch bekommen würde. Eines davon war Geld, wobei ihm hiervon am meisten das Taschenbuch einbringen würde. Sechsunddreißig Stunden nach der endgültigen Festnahme würde in den Regalen der Buchhandlungen und
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