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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gefunden.
    »Sie kennt die Straßen«, sagte Dvorak. »Sie kennt sie gut genug, um irgendwo Schutz zu finden.« Er drückte ihre Hand. Sie wollten voneinander wissen, was jeder dachte, saßen im Dunkeln, müde, aber noch nicht bereit, den Abend zu beenden.
    Er beugte sich zu ihr, und ihre Lippen berührten sich gerade, als sein Piepser sich meldete.
    »Das könnte wegen Molly sein«, sagte er.
    Er griff nach ihrem Autotelefon, fragte nach, legte es gleich wieder zurück und seufzte. »Es ist nicht wegen Molly. Aber unser gemeinsamer Abend ist damit vorbei.«
    »Mußt du noch einmal an die Arbeit?«
    »Leider. Kannst du mich absetzen? Mein Ziel ist nur ein Stück diese Straße hier hinauf.«
    »Was ist mit deinem Wagen an der Albany?«
    »Dorthin komme ich dann mit dem Leichenwagen.«
    Sie ließ den Motor an und fuhr in Richtung Chinatown. Im nassen Straßenasphalt spiegelten sich die bunten Lichter der Stadt.
    »Da vorne«, sagte Dvorak. »Gleich da.«
    Sie hatte das blinkende Blaulicht längst gesehen. Drei Streifenwagen standen gegeneinander versetzt am Straßenrand direkt vor einem China-Restaurant. Ein weißer Van vom Leichenschauhaus mit dem Schriftzug
Commonwealth of Massachusetts
auf den Seiten setzte rückwärts in die seitliche Kapp Street.
    Toby hielt hinter einem der Streifenwagen an, und Dvorak stieg aus.
    »Wenn du von Molly hörst, rufst du mich dann an?« sagte sie.
    »Mach ich.« Er lächelte, winkte und ging auf die von den Cops gezogene Absperrung zu. Ein Streifenpolizist erkannte ihn und winkte ihn weiter.
    Toby griff nach dem Schalthebel, ließ ihn dann aber in Parkstellung, lehnte sich einen Moment zurück und sah den Leuten auf der Straße zu. Sogar jetzt um Mitternacht hatte sich eine ganze Menge Neugieriger eingefunden. Eine seltsame Munterkeit herrschte unter ihnen. Zwei Männer klatschten in die Hände, Frauen lachten. Nur die Cops schauten grimmig.
    Dvorak stand gleich hinter dem Absperrband und unterhielt sich mit einem Zivilpolizisten. Einem Detective. Der Mann zeigte in eine Gasse und blätterte dann, während er berichtete, in einem Notizbuch. Dvorak nickte, den Blick zu Boden gerichtet. Dann sagte der Detective etwas, das Dvorak überraschte. Er schaute auf. Im selben Moment schien er auch zu bemerken, daß Tobys Wagen immer noch dastand. Der Detective starrte Dvorak nach, als der sich abrupt von ihm abwandte, sich duckte, unter dem Band durchging und zu Toby zurückeilte.
    Sie kurbelte die Scheibe herunter. »Ich wollte nur einen Augenblick lang zusehen«, sagte sie. »Ich glaube, ich verfüge über genauso eine morbide Neugier wie die Leute hier. Eine seltsame Versammlung.«
    »Ja, seltsame Leute sind das immer.«
    »Was ist in der Gasse dort passiert?«
    Er lehnte sich in ihr Fenster. »Sie haben eine Leiche gefunden«, sagte er ruhig. »Laut Ausweis hieß der Mann Romulus Bell.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Man kennt ihn besser unter Romy«, sagte Dvorak. »Er war Molly Pickers Zuhälter.«
    Sein Körper lag mit ausgestreckten Gliedern auf dem Pflaster, nahezu versteckt von einem parkenden blauen Ford Taurus.
    Der linke Arm lag unter dem Leib, der rechte zeigte abgewinkelt auf das Restaurant am Ende der Gasse. Eine Hinrichtung, dachte Dvorak, als er das Einschußloch in der linken Schläfe des Toten sah.
    »Keine Zeugen«, sagte Detective Scarpino. Er gehörte schon zur älteren Generation der Cops dieser Stadt, nah an der Pensionierung und berühmt für seine scheußlichen Toupets. Heute nacht sah das Haarteil aus, als hätte er es sich in aller Eile von hinten auf den Kopf geklatscht. »Die Leiche wurde um elf Uhr dreißig von Leuten nach Verlassen des China-Restaurants an dieser Stelle gefunden. Das ist ihr Wagen.« Scarpino deutete auf den blauen Taurus. »Die Hausbewohner da oben sind mal gegen zehn heruntergekommen, um Abfall wegzuwerfen, haben die Leiche aber nicht gesehen. Wir nehmen also an, daß es nach zehn Uhr passiert ist. Der Ausweis steckte im Portemonnaie des Opfers. Ein Streifenpolizist kannte den Namen. Er hat gestern noch mit dem Opfer über das Mädchen geredet, nach dem er suchte.«
    »Heute abend gegen neun wurde Bell im Boston City Hospital gesehen.«
    »Von wem?«
    »Dem Mädchen, Molly Picker. Er war bei ihr im Zimmer.«
    Dvorak zog ein Paar Latexhandschuhe an und beugte sich hinunter, um die Leiche etwas näher zu inspizieren. Der Mann war Anfang Dreißig, schlank, schwarzes, pomadisiertes Haar, zu einem Elvis-Helm hochdrapiert. Seine Haut fühlte sich

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