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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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beide übereinandergezogenen Handschuhe gegangen. So ein verdammter
Mist.
« Er holte eine Flasche Desinfektionsmittel vom Bord und goß sich einen Schuß über den Finger. »Zur Hölle mit euch, Ungeziefer.«
    »Er ist HIV-negativ, nicht?«
    »Zum Glück«, sagte er und wischte den Finger trocken. »Das hätte nicht passieren dürfen. Ich bin einfach leichtsinnig gewesen.« Wütend auf sich selbst zog er neue Handschuhe an und wandte sich wieder seinem Untersuchungsobjekt zu. Das Gehirn war bereits überall abgetrennt. Behutsam griff er mit beiden Händen darunter, holte es heraus, wischte mit Salzwasser die Blutreste ab und legte das tropfende Organ auf das Sezierbrett. Als erstes sah er sich das Organ von außen an und drehte es nach allen Seiten. Die Lappen erschienen normal, nirgends Spuren einer Massenblutung. Er ließ das Gehirn in einen Behälter mit Formalin gleiten, in dem es jetzt eine Woche lang ruhen würde, bevor man es in Schnitte zerlegen und auf Objektträger aufbringen konnte. Die Antworten würde dann bestimmt das Mikroskop liefern.
    »Dr. Dvorak.« Stella, seine Sekretärin, meldete sich über die Sprechanlage.
    »Ja?«
    »Da ist ein Dr. Carl Wallenberg am Apparat.«
    »Ich rufe zurück. Ich bin mitten in einer Autopsie.«
    »Genau das ist der Grund, warum er darauf besteht, Sie sofort zu sprechen. Er will, daß die Autopsie abgebrochen wird.«
    Dvorak richtete sich auf. »Warum?«
    »Das sollten Sie ihn doch besser selber fragen.«
    »Dann muß ich das Gespräch wohl annehmen«, murmelte er Lisa zu und zog Handschuhe und Schürze aus. »Machen Sie weiter und entnehmen Muskelgewebe. Außerdem resezieren Sie die Leber.«
    »Sollte ich damit nicht warten bis nach Ihrem Gespräch?«
    »Wir sind jetzt soweit. Lassen Sie uns mit dem Gewebe fertig werden.«
    Er ging ins Büro, um das Gespräch zu übernehmen. Auch bei geschlossener Tür zog der Geruch von Formalin durch den Raum, setzte sich in die Kleidung, stieg von seinen Händen auf.
    Er roch einfach als Ganzes wie ein wandelndes Präparat, eingesperrt in sein fensterloses Büro. Ein Mann in der Falle.
    Er nahm den Hörer auf. »Dr. Wallenberg? Hier ist Dr. Dvorak.«
    »Ich glaube, es hat da ein Mißverständnis gegeben. Mr. Parmenter war mein Patient, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum Sie eine Autopsie an ihm vornehmen.«
    »Das geschieht auf Antrag einer Ärztin vom Springer Hospital.«
    »Sie meinen Dr. Harper?« Die Frage begleitete ein abfälliges Schnaufen. »Sie hatte mit der Versorgung des Patienten nichts zu tun. Sie war gar nicht ermächtigt, Sie anzurufen.«
    »Nach den mir vorliegenden Unterlagen hat sie den Patienten in der Notaufnahme untersucht.«
    »Das war vor einer Woche. Seitdem war er mein Patient, abgesehen von den von mir hinzugezogenen Spezialisten. Keiner von uns war der Meinung, daß eine Autopsie nötig sei. Und ganz bestimmt haben wir nicht daran gedacht, daß es ein Fall für die Rechtsmedizin sein könnte.«
    »Dr. Harpers Auskünfte ließen mich annehmen, daß es sich um einen Fall handelt, der die öffentliche Gesundheit betrifft.«
    Wieder das verächtliche Schnaufen. »Dr. Harper ist nicht gerade die verläßlichste Informationsquelle. Vielleicht haben Sie noch nicht davon gehört, aber im Springer Hospital läuft eine Untersuchung gegen sie wegen einiger Fehler, die ihr in der Notaufnahme unterlaufen sind, schwerer Fehler. Sie könnte schon bald ihren Job los sein, und ich würde ihr in keiner Angelegenheit über den Weg trauen. Dr. Dvorak, was wir hier bereden, geschieht sozusagen auf Chefebene. Ich bin der behandelnde Arzt, und ich sage Ihnen, eine Autopsie ist die reine Zeitverschwendung. Und eine Vergeudung von Steuergeldern.«
    Dvorak unterdrückte ein Stöhnen.
Damit will ich in Ruhe gelassen werden. Ich bin Pathologe. Ich arbeite lieber an toten Körpern als an lebendigen Egos.
    »Und dann gibt es da auch noch die Familie«, sagte Wallenberg.
    »Die Tochter wäre außer sich, wenn sie erführe, wie ihr Vater verstümmelt wird. Sie könnte dabei sogar an gerichtliche Schritte denken.«
    Dvorak spannte sich und hob erstaunt den Kopf. »Aber, Dr. Wallenberg, ich habe mit der Tochter gesprochen.«
    »Wie bitte?«
    »Heute morgen. Mrs. Lacey hat mich angerufen und mit mir über die Autopsie gesprochen. Ich habe ihr die Gründe erklärt, die dafür sprechen, und sie schien das zu verstehen. Sie hat keine Einwände gemacht.«
    Einen Moment lang herrschte Stille in der Leitung. »Dann muß sie, seit ich

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