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Roter Fluch - Wells, J: Roter Fluch - Mage in Black - Red-Headed Stepchild Trilogie 2

Titel: Roter Fluch - Wells, J: Roter Fluch - Mage in Black - Red-Headed Stepchild Trilogie 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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ist die wahre Hölle für alle Sinne. Der Geruch von Abgasen mischte sich mit dem fauligen Dampf
aus den Abwasserkanälen. Taxihupen und lautes Rufen verschmolz mit dem Plärren der Autoradios. Touristen, die stehen blieben, um sich die Lichter des Broadways anzusehen, wurden im unberechenbar dahinströmenden Menschenfluss beiseitegestoßen und mit Ellenbogen traktiert.
    Ich genoss es aus vollen Zügen.
    Echte New Yorker vermieden diese Touristenfalle am Times Square sicherlich, aber in meinen Augen vibrierte der Platz nur so vor Energie. Dieses High war beinahe genauso gut wie ein Blutrausch.
    Aber eben nur beinahe.
    Der Sex mit Slade hatte mich meine bisherigen Hemmungen vergessen und den Hunger übermächtig werden lassen. Doch in Wahrheit wollte ich nicht nur Blut, ich brauchte auch Raum zum Atmen. Auf dem Papier schienen Slade und ich gut zusammenzupassen. Wir teilten den gleichen Hintergrund und eine ähnliche Weltanschaung. Wir wussten, wie der andere tickt. Aber wie gut wir auch zueinanderpassen mochten, die freudige Erregung, die sonst immer aufkam, wenn es einen neuen Lover in meinem Leben gab, wollte sich nicht einstellen.
    Wenn ich ganz ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass der Sex mit Slade eher dem Wunsch entsprungen war, meinen Problemen davonzulaufen, als dem, eine Beziehung mit ihm aufzubauen. Verhaltene Gewissensbisse begleiteten diese Erkenntnis. Slade war für mich da gewesen, als es sonst niemanden gegeben hatte. Aber ich glaubte nicht, dass er nach mehr suchte als nach ein paar Nächten des gemeinsamen Vergnügens – im Grunde genau wie ich. Ich war noch immer entschlossen, zu gehen. Ob Slade mit dieser Entscheidung einverstanden
war oder nicht, bedeutete im Grunde nicht viel. Jetzt ging es erst einmal um mich. Und momentan brauchte ich dringender Blut als Luft.
    Ich lief durch die Menschenmenge, vorbei an den riesigen Kaufhäusern und Restaurantketten. Unter dem städtischen Gestank roch ich das Parfüm, das durch die Adern der Sterblichen floss. Meine Reißzähne pochten beim Gedanken an frisches Blut. Ich schlängelte mich durch die Menge und suchte nach einem geeigneten Opfer. Das Problem war, dass es zu viele gab, die infrage kamen. Ich fühlte mich wie ein Kind in einem Süßwarenladen, das auf einmal die perfekte Süßigkeit auswählen soll.
    Ich hatte wirklich die Qual der Wahl. Wollte ich lieber einen der Teenager, die vor dem MTV-Studio tanzten? Zu jung, dachte ich. Ihr Blut brauchte noch etwas Zeit zum Reifen. Oder der Kerl mit dem »Bereue«-Schild um den Hals, der auf einer Bierkiste stand? Ich schüttelte den Kopf. Sein Blut schmeckte sicher bitter – nach Schuldbewusstsein.
    Ah, da. Genau da.
    Der Mann hatte den Blick auf die Tasche einer Touristin gerichtet. Ich hingegen hatte ihn im Visier. Er war jung, gut gebaut und sah ziemlich abgerissen aus. In spätestens zwei Jahren würde er vermutlich in irgendeinem Gefängnis dahinvegetieren. Ich beobachtete, wie er der Frau mittleren Alters den Geldbeutel aus der Tasche zog. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit ihrem Mann zu streiten, als dass sie etwas bemerkt hätte. Wie eine Gazelle rannte der Dieb durch die träge Menge davon. Ich eilte ihm hinterher. An der achtundvierzigsten Straße bog er rechts ab und verschwand hinter einem
Gebäude. Dort entdeckte ich ihn in einer dunklen Ecke, wie er gierig den gestohlenen Geldbeutel durchsuchte. Amateur.
    »Was haben wir denn da?«
    Ich hätte ihn auch ohne großes Geplänkel außer Gefecht setzen können. Aber ich genoss es, die Vorfreude noch ein bisschen zu verlängern.
    Erschrocken ließ er die Geldbörse fallen und riss ein Messer mit einem Holz-Messing-Griff aus der Tasche. »Hau ab, Schlampe!«
    Ich schnaubte verächtlich. »Den Zahnstocher kannst du wieder einstecken.«
    Er fuchtelte wild mit dem Messer herum. »Ich stech dich ab!«
    »Nicht, wenn ich dich zuerst erwische.«
    Ehe er auch nur blinzeln konnte, bohrten sich meine Eckzähne in seinen Hals. Natürlich wehrte er sich. Doch das Geräusch von klirrendem Metall auf Beton verriet mir, dass er das Messer fallen gelassen hatte.
    Er roch nach Verzweiflung. Dieser Geruch vermischte sich mit dem Rauch in seinen Haaren und dem billigen Aftershave, das er offenbar kübelweise verwendet hatte.
    Sein Blut jedoch war eine starke Mischung – heiß und üppig. Junge Männer boten immer den besten Saft. Natürlich half auch der Joint, den er geraucht haben musste, ehe er sich in die Nacht gestürzt hatte.

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