Roter Fluch - Wells, J: Roter Fluch - Mage in Black - Red-Headed Stepchild Trilogie 2
verteidigen kannst, um ihnen zu entkommen.«
»Und mich als Zielscheibe zu verwenden soll dabei helfen?« Ich massierte mir die Stirn. Eine Beule von der Größe eines Hühnereis pochte schmerzhaft an der Stelle, an der ich getroffen worden war. »Kann ich wenigstens ohne die Augenbinde weitermachen?«
»Die ist notwendig, weil du die schlechte Angewohnheit hast, dich einem Problem immer mit den Fäusten zu stellen. Bei einem Kampf mit einem Dämon werden dir Fäuste aber nichts nützen. Du musst dich auf deinen Instinkt und deine magischen Fähigkeiten verlassen. Wir üben das jetzt so lange, bis du gelernt hast, einen Angriff vorherzusehen und ihn mit Hilfe deiner Zauberkräfte abzuwehren.«
»Sie müssen wahnsinnig sein, wenn Sie glauben, ich stehe hier die ganze Nacht und lasse mir von Ihnen den Schädel einschlagen!«
Rhea achtete nicht auf meinen Protest, sondern redete einfach weiter. »Die erste Regel dieser Übung lautet, dass es dir nicht erlaubt ist, mit den Gliedmaßen zu kämpfen. Ich habe dir die Hände nicht gefesselt. Aber sobald du versuchen solltest, einen Ball abzuschmettern oder ihn zu fangen, werde ich es tun. Verstanden?«
»Sie erwarten tatsächlich von mir, dass ich mich nicht verteidige?«, knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Jetzt stell dich nicht dümmer als du bist. Ich erwarte, dass du dich mit Hilfe deiner Magie verteidigst. Und fang nicht damit an, du wüsstest nicht, wie das geht. Deshalb machen wir diese Übung. Du wirst den Zugang zu deiner Macht niemals finden, wenn du nicht dazu gezwungen bist.«
Das klang ja wirklich großartig. »Und wenn ich mich weigere?«
Sie schwieg einen Moment. »Dann«, sagte sie schließlich, »kannst du das nächste Mal, wenn dich ein Dämon angreifen sollte, nur beten, dass Giguhl zur Stelle ist, um deinen Hintern zu retten.«
Ich zuckte zusammen. Die Tatsache, dass es mir nicht gelungen war, Eurynome zu besiegen, quälte mich noch immer. Ich war es nicht gewöhnt, mich auf andere zu verlassen. Ergeben seufzte ich. »Und wie aktiviere ich jetzt diese Zauberkräfte?«
Rhea lächelte. »Das wirst du schon herausfinden. Sich mit der Theorie zu beschäftigen, zögert das Ganze nur hinaus. Deine Kräfte sind instinktgebunden. Also hör auf, zu denken – so weit das möglich ist – und fang an, zu fühlen. Verstehst du mich?«
Ich fluchte leise. »Ich darf also weder meine Fäuste benutzen noch meinen Verstand?«
»Genau. So verhält sich kein Magier.«
»Dann wundert es mich, dass euer Geschlecht nicht schon lange ausgestorben ist.«
»Vielleicht ist das gar nicht so erstaunlich. Vampire sind unglaublich eindimensional. Jede Entscheidung
wird von ihrem Raubtierinstinkt geleitet. Sie werden ausschließlich von ihrem Es beeinflusst.«
Ich warf ihr einen abwertenden Blick zu. »Zitieren Sie jetzt Freud?«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Hast du etwas gegen Freud? Wie wäre es dann mit Jung? Wenn Magier ihre Macht aktivieren, treten sie mit dem kollektiven Unbewussten in Kontakt. Mit der Kraft, die alles Lebende verbindet.«
»Wollen Sie damit sagen, ich komme erst an meine Zauberkräfte, wenn ich schwach und dämlich bin?«
Zornig schleuderte Rhea ihren Zauberstab auf den Boden. »Es reicht!«
Ihr Wutausbruch überraschte mich derart, dass mir der Mund aufklappte.
»Du glaubst wirklich, dass deine ach so toughe Art irgendwen beeindruckt, was? Denkst du im Ernst, ich sehe nicht, wie sehr du deinen Sarkasmus und deinen Zorn als Schutzschild brauchst?« Sie beugte sich zu mir. »Du kannst mir nichts vormachen, Sabina. Wenn ich dich ansehe, sehe ich ein verletztes Kind. Du bist wütend? Das verstehe ich. Ich wäre es in deinem Fall auch. Sei wütend auf diejenigen, die dich so verletzt haben. Sei wütend auf dich selbst, weil du dir so lange etwas vorgemacht hast. Aber verdammt nochmal – hör endlich auf, dich wie eine Märtyrerin aufzuführen und deine Wut an mir auszulassen, nur weil ich versuche, dir zu helfen!«
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich biss so heftig die Zähne zusammen, dass ich befürchtete, sie könnten jeden Moment zersplittern. »Ich kann mich nicht daran erinnern, um Hilfe gebeten zu haben.«
Rhea verschränkte die Arme. »Nein, nicht direkt. Aber
ich will dir mal eine Frage stellen: Warum bist du hergekommen?«
»Komisch. Genau diese Frage stelle ich mir auch schon eine ganze Weile.«
»Vielleicht – nur vielleicht – verstehst du ja irgendwann, dass du nur dann ganz du selbst werden kannst, wenn
Weitere Kostenlose Bücher