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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einer U-Bahn-­Station eine Attacke gegeben, bei der eine fast 70-jährige Frau von maskierten Jugendlichen brutal zusammengetreten worden war. Auf der Titelseite konnte man die hinreichend bekannten, immer gleichen, verstörenden Fotos der Überwachungsvideos sehen. Schemenhafte, vermummte Gestalten, die auf ein armseliges, zusammengekrümmtes Bündel am Boden eintraten. Daneben, zwei, drei unbeteiligte Passanten, die vorbeigingen. Die drei Jugendlichen waren noch am selben Tag identifiziert und von der Polizei festgenommen worden. Der älteste von ihnen war 15. Amanda betrachtete angewidert die Fotos. Sie versuchte, hinter die Masken der jugendlichen Schläger zu schauen, und starrte auf das entstellte Gesicht der alten Frau am Boden. Doch die Bilder verschwammen vor Amandas Augen, bis sie nach einer Weile das Gesicht des Toten im Moor zu erkennen glaubte. Auch ihr Fall stellte einen Ausbruch sinnloser Gewalt dar. Und doch war dies eine ganz andere Form von Gewalt gewesen, dachte sie. Überlegte, zielgerichtete Gewalt, nicht blinde, dumpfe Aggression.
    Als Amanda Wouters an diesem späten Morgen die Tür zu ihrem Büro öffnete, war es kurz nach elf Uhr. Es war Gründonnerstag, der Donnerstag vor Ostern. Daran dachte sie in diesem Augenblick allerdings nicht, denn ihre Gedanken beschäftigten sich noch immer mit dem unbekannten Toten und vor allem mit der Tatsache, dass er gefoltert worden war. Sie würde als Erstes einen Blick auf Mannteufels Bericht werfen. Vielleicht gab es Details über die Art und Weise, wie der Unbekannte getötet worden war, die sie in ihrer Ermittlungsarbeit weiterbringen würden.
    Als sie in den Raum trat, erstarrte sie. Ein schwergebauter Mann, mindestens 50 Jahre oder älter, mit Stiernacken, hatte es sich in ihrem Stuhl bequem gemacht. Er saß regungslos da, die Unterarme auf der Tischplatte und las in einer Akte. Überrascht registrierte Amanda, dass der Mann ein Schwarzer war. Kein Afrikaner, wohl eher ein Ami, dachte sie. Es dauerte eine Weile, ehe er den Blick hob. Wie es schien, faszinierte ihn der Bericht. Als er den Kopf in ihre Richtung wandte, nahm sie sofort eine wulstige Narbe wahr, die seine gesamte rechte Gesichtshälfte in zwei ungleiche Abschnitte teilte, was ihm das Aussehen eines wilden Kriegers gab. Eine Narbe, wie von einem Säbelhieb. Einen Moment lang starrte sie auf das zerstörte Gesicht des Mannes, ehe sie sich fasste.
    »Wer zum Teufel …«, begann sie empört, doch da hatte sich der Mann bereits erhoben. Er war größer als Amanda auf den ersten Blick angenommen hatte, und instinktiv trat sie einen Schritt zurück. Groß für sein Alter, dachte sie und hätte beinahe lachen müssen.
    »Sorry«, sagte er. Er war äußerst behände um den Schreibtisch herum auf sie zugekommen und stand nun in seiner ganzen Größe vor ihr. »Ich bin Pericles Johnson. Sie müssen Frau Wouters sein.«
    »In der Tat«, antwortete Amanda. »Darf ich fragen, was Sie hier …«
    »Es tut mir leid. Ihre Sekretärin hat mich in ihr Büro geführt …« Er lächelte, ohne den Satz zu Ende zu führen.
    Amanda holte tief Luft und schob sich dann an ihm vorbei. Sie würde definitiv ein Wörtchen mit Ada sprechen müssen. Als sie in ihrem Stuhl saß, fühlte sie sich sicher. Erst dann warf sie einen Blick auf die Akte, in der ihr Besucher gelesen hatte. Wie sie vermutet hatte, war es der vorläufige Autopsie-Bericht, den ihr Mannteufel angekündigt hatte.
    »Ist schon in Ordnung«, sagte sie und nickte ganz gegen ihre Überzeugung. Mit einer Handbewegung wies sie ihm einen Platz auf einem der Besucherstühle zu. Eine Weile sagte keiner etwas und Amanda wippte mit ihrem Stuhl.
    »Man hat Sie schon angekündigt«, meinte sie dann. Sie wartete, dass er etwas darauf erwidern würde, aber er blieb stumm, lächelte sie nur an.
    »Sie sprechen sehr gut Deutsch«, hob sie daraufhin noch einmal an. Sein Schweigen irritierte sie.
    »Meine Mutter war Deutsche«, antwortete er schließlich doch noch und lachte schallend.

5
    München

    Hinten, in dem riesigen fensterlosen Raum, dort, wo Otto die Hunde untergebracht hatte, stank es fürchterlich. Sie hasste es, wenn sie dieses Zimmer betreten musste, um zu ihrem Spind zu gelangen, verabscheute den Geruch der Hunde, die nur einige Meter entfernt, in ihren Gitterkäfigen herumliefen, fühlte sich angewidert von ihrem wilden, animalischen Knurren und Weinen, dem ekligen Geifer, der von ihren Lefzen tropfte. Dazu die blutunterlaufenen Augen, aus denen

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