Roter Herbst - Kriminalroman
Heizung auf höchste Stufe gestellt hatte und niemand daran gedacht hatte, sie zurückzudrehen.
Amanda Wouters öffnete die Fenster, aber der Wind draußen schlug sie sofort wieder zu. Sie versuchte es noch einmal, doch es stürmte zu stark, sodass sie es aufgab. Dann eben nicht, dachte sie. Das Klirren der Fensterscheiben wirkte jedoch wie ein Signal, und nach und nach kamen die Männer hereingeschlichen, zögerlich, als hätten sie Angst vor etwas Unbekanntem. Die meisten hatten sich mit Automatenkaffee versorgt und trugen ihre dampfenden Plastikbecher mit großer Vorsicht vor sich her.
Percy Johnson grinste Amanda an und hob seinen Becher, als wollte er ihr zuprosten.
Amanda wartete, bis sich alle gesetzt hatten. Sie räusperte sich. »Wir wissen noch immer nicht viel«, fing sie an. »Unser Mann aus dem Moor ist und bleibt ein Rätsel. Aber es gibt da etwas, was uns vielleicht weiterbringen könnte, ein missing link sozusagen …«
»Kannst du das vielleicht mal übersetzen?«, fragte Wolf, der sich gerade mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte.
»Hast wohl im Biologieunterricht gepennt?«, meinte Fiedler, ehe Amanda etwas sagen konnte.
»Klugscheißer«, konterte Wolf und steckte sein Taschentuch in die Hosentasche. »Also …«
»Das Bindeglied zwischen Affen und Menschen zum Beispiel, das ist so ein missing link , ein fehlendes Glied …«
»Fehlendes Glied«, grinste Wolf und schaute Fiedler dabei anzüglich an. Der griff sich daraufhin mit der freien Hand in den Schritt und kratzte sich demonstrativ.
Amanda trank ihren Kaffeebecher leer. Der Kaffee schmeckte bitter und sie verzog das Gesicht. »Novak hat angerufen«, sagte sie und beendete damit das Geplänkel der Männer.
»Das Mädchen, das die Leiche von Marlies gefunden hat, hat ausgesagt, dass sie am Abend, als Marlies gestorben ist, einen fremden Mann im Garten gesehen hat.«
Wolf und Fiedler beugten sich beide vor. »Und …?«
»Die Kollegen in München haben Spuren unter dem Fenster von Marlies’ Wohnung gefunden und Kratzspuren an der Wand, die nach oben führen, aber nichts wirklich Verwertbares.«
»Du meinst, dass jemand in Marlies’ Wohnung eingestiegen ist? Das kann doch nicht sein.«
»Warum denn nicht?«
»Na gut, aber was bedeutet das für uns?«
»Zum einen, dass wir die Marlies noch einmal ausbuddeln müssen, und zum anderen, dass ein Zusammenhang zwischen Marlies’ Tod und unserem Mordfall bestehen könnte.«
»Könnte?«
Amanda nickte. »Ja. Mehr muss es nicht bedeuten.«
»Unter Umständen ist es also möglich, dass sich die zwei Vorfälle ohne irgendeinen Bezug abgespielt haben?«
»Ja, aber die Idee, dass ein Zusammenhang besteht, ist auf jeden Fall wert, verfolgt zu werden.«
»Na gut, und wer hat die Marlies ermordet? Dieselben Täter, die unseren Unbekannten durch den Fleischwolf gedreht haben? Wie ist sie überhaupt getötet worden?« Wolf fluchte plötzlich. Er hatte sich die Zunge an seinem heißen Kaffee verbrannt und sich daraufhin vor lauter Schreck die braune Brühe über die Hose gegossen.
»Ich weiß es nicht«, erklärte Amanda ungerührt, ohne auf Wolfs Ausbruch zu achten. »Wir wissen ja noch nicht einmal, ob sie tatsächlich durch Fremdeinfluss ums Leben gekommen ist.«
Die Männer nickten mit Ausnahme von Wolf, der noch mit der Beseitigung der Kaffeespuren beschäftigt war und vor sich hin brummte. Es war ihnen durchaus klar, wie wichtig es war, dass sie den richtigen Weg einschlugen. Im Grunde wussten sie nicht viel. Wenn sie jetzt von Voraussetzungen ausgingen, die sich später als haltlos erwiesen, würden sie vielleicht Tage und Wochen sinnlos vergeuden, ohne dem Täter oder den Tätern auch nur einen Schritt näher zu kommen.
»Wir müssen unsere Hausaufgaben machen«, stellte Amanda mit einem Achselzucken fest. Dann können wir weitermachen …«
Sie erhob sich. »Fangen wir an«, sagte sie.
Bichlmaier starrte auf sein Handy. Die Nachricht auf der Mailbox irritierte ihn gewaltig. Ein Anruf von Rune, der unbedingt mit ihm sprechen wollte. Das war gestern Abend gegen 18 Uhr gewesen. Dabei wurde er aus Runes Worten nicht so recht schlau. Seine kurze Nachricht klang geheimnisvoll, als habe er in dem Augenblick, als er seine Worte auf die Mailbox sprach, unter enormem Druck gestanden, als habe er aus irgendeinem Grund nicht frei sprechen können. »Bin auf der Suche. Was vergangen ist, ist längst noch nicht vorüber. Bin bald wieder zurück. Werde mich bei dir
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