Roter Herbst - Kriminalroman
persönlichen Interesse verfolgte. Dabei war ein Gefühl in ihr aufgestiegen, das sie darin bekräftigte, ihn an ihren Ermittlungen teilhaben zu lassen. Diese Gewissheit verspürte sie auch jetzt.
»Wissen Sie, dass unser Toter aus dem Moor vor 40 Jahren schon einmal gestorben ist? Wie es scheint, hat unser Mann seine Identität geklaut. Von einem Toten. Ist das nicht seltsam?«
Bichlmaier blickte sie überrascht an. »Na ja, durchaus. Aber … könnten Sie das genauer erklären?«
Sie zögerte ein wenig. »Dieser Aaron Rosenberg ist 1967 in den USA verstorben und in allen Ehren begraben worden. Vier Jahre darauf taucht jemand auf, der über Rosenbergs Identifikation verfügt, eine Reihe von Spuren hinterlässt, und dann, viele Jahre später, unter diesem Namen nach Deutschland einreist. Unsere Moorleiche! Voilà! Soweit zumindest die Informationen aus den USA. Das heißt, dass sich jemand die Papiere des verstorbenen Aaron Rosenberg beschafft hat. Wie auch immer.«
»Warum klaut jemand die Identität eines anderen, noch dazu eines Toten?«
»Liegt das nicht auf der Hand?«
»Sie meinen, dass unser Toter irgendwann mit neuer Identität versehen wurde? Man hat ihm eine Legende verpasst, einen Decknamen. Das würde bedeuten, dass jemand die Finger im Spiel hat, der auch die Mittel dazu hat.«
Sie nickte und blickte ihn wartend an.
»Da fallen mir auf Anhieb nur zwei Möglichkeiten ein. Mafia oder Geheimdienst. Der CIA vielleicht? Die haben ihre Finger …
»Bingo, Herr Kollege.« Sie lachte. »Alles möglich. Vielleicht auch ein deutscher Ableger, MAD oder Verfassungsschutz. Oder BND. Wäre auch denkbar, oder?«
»Hm.« Bichlmaier nahm einen Zahnstocher und begann, darauf herumzukauen. Rune kam ihm wieder in den Sinn und seine Andeutungen über obskure Wehrsportgruppen, die in dieser Gegend operiert haben sollten. Bestehen hier etwa Zusammenhänge, die bislang niemand ins Kalkül gezogen hatte?
»Haben Sie in Köln und Pullach schon mal nachgefragt?«
»Wir sind dabei, mit den entsprechenden Stellen Verbindung aufzunehmen, aber dort wird wie immer stark gemauert.« Amanda Wouters zuckte mit den Schultern, was fast ein bisschen fatalistisch wirkte. »Vielleicht wissen wir aber morgen mehr. Anfragen laufen jedenfalls. Außerdem haben die Kollegen in Seattle versprochen, weitere Recherchen anzustellen. Eine Spur von diesem Rosenberg sollte doch nicht so schwer zu finden sein.«
»Eigentlich nicht«, murmelte er. »Aber …«
»Da ist noch etwas«, fuhr Amanda fort, ohne Bichlmaier ausreden zu lassen. »Was ist, wenn unser Rosenberg hier aus der Gegend stammt?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Nur so eine Idee. Und … was, wenn er der unbekannte Vater unseres Martin Berger wäre?«
Bichlmaier nickte. »Ich weiß nicht, warum, aber es würde mich nicht überraschen.«
»Wie gesagt, das sind alles nur Vermutungen, aber manches spricht dafür. Ein DNA-Abgleich ist natürlich bereits veranlasst worden …« Amanda Wouters holte tief Atem und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas. Nachdenklich saß sie da und stützte ihren Kopf mit einer Hand. »Irgendetwas stimmt auch mit dem Tod der Marlies Berger nicht«, sagte sie dann. »Es gibt Hinweise, dass jemand bei ihr eingestiegen ist. Das Mädchen, das die Leiche gefunden hat, behauptet, es habe einen Mann im Garten vor Marlies’ Wohnung gesehen. Am Abend, als Marlies gestorben ist.«
»Aber der Totenschein besagt doch …«
Amanda wischte Bichlmaiers Einwand weg. »Wir haben bereits Exhumierung beantragt. Morgen Abend, wenn die Friedhofstore geschlossen werden … Sie können natürlich kommen, wenn Sie das interessiert.«
Bichlmaier nickte. »Wissen die Eltern Bescheid?«
»Aber ja! Wir mussten sie informieren.«
»Denken Sie, die werden auch dabei sein?«
»Ich weiß nicht. Hoffentlich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern, schien plötzlich zu frieren.
»Kennen Sie die Bergers?«
Bichlmaier schüttelte den Kopf.
»Aber die Marlies, die kannten Sie?«
Bichlmaier nahm einen frischen Zahnstocher, zerbrach ihn achtlos und legte ihn in den Aschenbecher, der aus unerfindlichen Gründen auf dem Tisch stand. Wie ein Relikt aus vergangener Zeit.
»Kennen ist zu viel«, meinte er. »Ich war damals knapp 20. Wie die meisten anderen Soldaten in meinem Lehrgang. Ob Sie es glauben oder nicht, viele von uns hatten noch nie mit einem Mädchen geschlafen. Das war damals so … Aber unsere Gedanken kreisten immer nur um das eine Thema. Mädchen,
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